Das Antikenmuseum Basel präsentiert einen wahren Schatz: Die Funde aus dem Schiffswrack, das vor rund 100 Jahren vor Antikythera entdeckt wurde. 2000 Jahre alt – und fast so frisch wie am ersten Tag.
Ein junger Athlet: Dort, wo die Marmorstatue im Sand vergraben war, ist alles so glatt wie frisch poliert. Der Rest der Statue wurde vom Meerwasser mehr und mehr zerfressen.
(Bild: Karen N. Gerig)Wie gern sich die Römer an griechischen Vorbildern orientierten, zeigt diese Bronzestatue des Apollon: Ein römisches Werk nach griechischem Original des 5. Jh. v. Chr., gefunden in Pompeji.
(Bild: Karen N. Gerig)In manchen Teilen der Ausstellung hat man das Gefühl, auf einem Schiff zu sein.
(Bild: Karen N. Gerig)So könnte das Schiff ausgesehen haben, das vor Antikythera sank.
(Bild: Karen N. Gerig)Amphoren auf dem «Meeresgrund» im Antikenmuseum.
(Bild: Karen N. Gerig)Von dieser Figur liess das Meer nur noch die Füsse übrig.
(Bild: Karen N. Gerig)Achill? Könnte sein, ist aber nicht sicher.
(Bild: Karen N. Gerig)Ein Philosoph mit eindringlichem Blick – um welchen es sich handelt, ist nicht klar deutbar.
(Bild: Karen N. Gerig)Für die Kinder unter den Besuchern: Belade das Schiff, ohne dass es kentert!
(Bild: Karen N. Gerig)Antikythera. Das Wort klingt zwar schön, wird bei den Meisten aber nichts auslösen. Den archäologisch Interessierten aber klingeln die Ohren und schlägt das Herz höher. Denn Antikythera, das bedeutet Schatz! Das bedeutet versunkenes Schiff! Das bedeutet Mysterium!
Im Antikenmuseum kann man diesem nun – wortwörtlich – auf den Grund gehen. Denn das Museum nimmt uns in seiner Inszenierung mit auf den Meeresboden vor der kleinen griechischen Insel, wo man vor rund 100 Jahren in rund 60 Metern Tiefe das Wrack eines griechischen Handelsschiffes entdeckt hat.
Inszenierter Unterwasserboden. (Bild: Karen N. Gerig)
Die Insel Antikythera liegt zwischen der Nordküste Kretas und dem Peloponnes, und das Schiff, das vor gut 2000 Jahren vor seiner schroffen Küste kenterte, war wohl von Pergamon her kommend unterwegs zwischen der griechischen Insel Delos und dem römischen Hafen von Pozzuoli. Seine Entdeckung war für die Forschung ein unermessliches Glück – nicht nur eines mysteriösen Mechanismus‘ wegen, den man im Wrack entdeckte. Sondern wegen all der Geschichte und Geschichten, die man aus den vielen Fundstücken schliessen kann.
Letztere ergeben sich zum Beispiel aus dem Fund von Frauenknochen, die vermuten lassen, dass das Handelsschiff auch weibliche Passagiere an Bord nahm. Eigentliche Passagierschiffe existierten zu jener Zeit, im 1. Jahrhundert vor Christus, noch keine. Harzrückstände in Amphoren wiederum lassen darauf schliessen, dass die Schiffscrew Wein trank. Weil die Matrosen ihre Namen auf die Trinkgefässe schrieben, weiss man sogar, wie einige davon hiessen – Pamphilos zum Beispiel.
Derartiges zeigen zu können, bereitet einem Archäologen natürlich Freude. Und so erstaunt es nicht, dass Andrea Bignasca, Direktor des Antikenmuseums, sich bei der Präsentation der Ausstellung mit strahlendem Lachen als «sehr glücklich» vorstellte. Denn zum ersten Mal überhaupt ist fast alles, was man bislang aus dem Wrack geborgen hat, ausserhalb von Griechenland zu sehen – nur manches musste in Athen bleiben, weil der Zustand einen Transport nicht mehr zulässt; dazu gehört auch der geheimnisvolle Mechanismus, der in der Ausstellung allerdings durch Repliken trotzdem prägnant vertreten ist.
Von dieser Pferdefigur liess das Meerwasser im Bauchbereich nur noch die groben Konturen übrig. (Bild: Karen N. Gerig)
Die Schätze von Antikythera zeigten Geschichte, die mit Leidenschaft und Emotionen verbunden sei, sagte Bignasca vor den Medien. Und diese Emotionen wolle man über die Ausstellung auch den Besuchern und Besucherinnen vermitteln. Das reicht vom Einstieg, der über eine Treppe und eine Rampe tief und tiefer unter den Erdboden führt, über die Lichtszenerie, die uns vorgaukelt, unter Wasser zu sein, bis hin zu Filmaufnahmen, die uns Jacques-Yves Cousteau mit breitestem Lachen bei der Bergung einer kleinen Bronzestatuette zeigen.
Mittendrin zu sein, das ist es, was das Antikenmuseum uns bieten will – und es gelingt. Immer wieder schweift unser Blick auf die Weite des Meeres hinaus, das sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung zieht. Plätschergeräusche im Hintergrund verstärken den Eindruck.
Und was bietet uns der Meeresboden unter dem St. Alban-Graben? Unzählige Amphoren, Schüsseln, Glasschalen unterschiedlichster Herkunft – aus Ägypten, dem heutigen Syrien oder Zypern. Wunderschönen Goldschmuck, der wohl einer Passagierin gehörte. Münzen aus Pergamon und Ephesos. Kleine, handliche Bronzestatuetten, grosse, majestätische Marmorstatuen.
Schalen aus Ägypten (l.), Syrien und Zypern oder Rhodos (r.). (Bild: Karen N. Gerig)
Doch was hatte all das auf einem Handelsschiff zu suchen?
Um 65 vor Christus, als das Schiff vor Antikythera den neuesten Erkenntnissen zufolge gesunken ist, war Griechenland Teil des römischen Reiches, die Gebiete befanden sich in einer Umbruchphase. Ein ausgiebiger und reger Handel hatte begonnen – Römer schmückten ihre Häuser mit griechischen Statuen, legitimierten damit ihre politischen Ansprüche.
Manches, was damals Griechenland in Richtung Rom verliess, war bereits eine Antiquität, als es auf ein Schiff verladen wurde. Die Griechen lieferten schlicht, was die Römer wollten und brauchten. Was das war, davon vermitteln die Funde aus dem Wrack von Antikythera einen anschaulichen Eindruck. Sie sind handfeste Geschichte – wenn auch durch Zeit und Natureinflüsse fragil geworden. Sie sind aber auch ein bisschen Wunder. Und darum sollte man sich keinesfalls die Gelegenheit entgehen lassen, sie sich anzusehen, solange sie hier in Basel Station machen.
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«Der versunkene Schatz – Das Schiffswrack von Antikythera», Antikenmuseum und Sammlung Ludwig Basel, 27. September 2015 bis 27. März 2016.