Das River Nights Festival stand unter schwierigen Vorzeichen. Doch trotz Verlegung und bescheidenem Publikumsinteresse: Wer am Samstag ins Z7 pilgerte, erlebte mitreissende Auftritte von The Subways, Richard Ashcroft und Garbage.
Der Mann, der dem Wort «hohlwangig» ein Gesicht gab: Richard Ashcroft.
(Bild: Dirk Wetzel)Bescheidener Publikumsaufmarsch: Schlangen beim Eingang gab es keine.
(Bild: Dirk Wetzel)The Subways brachten Leben auf den Platz vor der Open-Air-Bühne.
(Bild: Dirk Wetzel)Zwischen den Konzerten braucht man auch mal eine Pause – zur Not auf dem Asphalt sitzend.
(Bild: Dirk Wetzel)Kurzgeschoren, sonnenbebrillt und breitbeinig – Richard Ashcroft zeigte sich als starker Performer.
(Bild: Dirk Wetzel)Begeisterung wie zu Britpop-Zeiten: Die Fans feierten Richard Ashcroft.
(Bild: Dirk Wetzel)Shirley Manson – eine Frontfrau, zu der man hochschaut.
(Bild: Dirk Wetzel)Die Rockmaschine läuft – Garbage in Action.
(Bild: Dirk Wetzel)Der Weg zum River Nights Festival führt über Umwege. Das erfährt der Besucher an den eigenen Füssen. Nach dem Kreisel die Kraftwerkstrasse runter zum Z7, so läuft man heute nicht, denn der Zugang ist gesperrt. Wie weiter? Am besten dem händchenhaltenden Lesbenpärchen in Garbage-Shirts hinterher. Shirley Manson wird sie und ihre Kolleginnen in der ersten Reihe später zur «Garbage-Army» ernennen und ihnen die Show widmen.
Doch vorher wandert man vorbei am Erotik Megastore, dem Discount Fitness Center, dem Raupenfahrzeug-Park der Kuhn Gruppe und einem Ibis Budget Hotel. Weiter zwischen Büschen und der Böschung zur Autobahn, dann endlich: der Eingang.
Eigentlich hätten die River Nights in Rheinfelden stattfinden sollen, daher auch der Name. Z7-Veranstalter Norbert Mandel und seine Kinder wollen Neues ausprobieren. Darum organisierten sie erstmals dieses dreitätige Festival sowie Open-Air-Konzerte in Augusta Raurica im September. Es soll auch eine Stabübergabe sein: Verantwortlich für die River Nights ist nicht Norbert Mandel sondern sein Sohn Steven.
Der Vorverkauf verlief harzig, darum darf jeder, der ein Ticket gekauft hat, gratis eine weitere Person mitnehmen.
Doch dann, wenige Wochen vor dem Festival, stellte man fest, dass es in Rheinfelden unter anderem Probleme mit der Statik gab. Also verlegte man die River Nights nach Pratteln ins Z7. Auch der Vorverkauf lief nicht wunschgemäss. Das wurde spätestens am Tag vor dem Festivalstart klar, als Steven Mandel im Regionaljournal einen «ungewöhnlichen Schritt» verkündete: Wer ein Ticket gekauft hat, darf gratis eine weitere Person mitnehmen.
Schlangen am Eingang bilden sich trotzdem keine. Eine kleine Verzögerung gibts erst bei der Taschenkontrolle. Dort will eine Frau partout nicht von ihrer Flasche mit basischem Wasser lassen: «Das ist für die Gesundheit!» Sie beruhigt sich erst, als ihr versichert wird, dass sie die Flasche beim Heimgehen zurück erhalte.
Es ist Zeit für Musik. Für die sorgen am frühen Abend auf der Open-Air-Bühne vor der Halle The Subways. Das englische Trio agiert engagiert und bringt Leben ins Publikum. Sänger Billy Lunn punktet mit witzigen Geschichten und Lausbuben-Charme, Bassistin Charlotte Cooper mit extrovertiertem Bühnengebaren. Am Ende spielen sie ihren Hit «Rock’n’Roll Queen», und wenn man die zufriedenen Gesichter vor der Bühne sieht, denkt man: Doch, das könnte ein gelungener Konzertabend werden.
«Bittersweet Symphony» steht nur auf den Shirts und auf der Setlist.
Auch wenn der Publikumsaufmarsch bescheiden bleibt: Bei den Subways draussen nimmt sich die Zuschauermasse ordentlich aus. Die Halle ist bei Richard Ashcroft gut halbvoll, und der Engländer freut sich, dass er einen Clubgig absolvieren darf und nicht Hektaren unter freiem Himmel bespielen muss. Shirley Manson von Garbage bedankt sich – «really» – bei den Leuten, die da sind, bevor sie den nächsten Song ansagt mit: «This is fittingly called ‹Empty›.»
Doch zuerst zu Richard Ashcroft, dem Mann, der als Sänger von The Verve dem Wort «hohlwangig» ein Gesicht gab. Er startet mit pumpenden Disco-Beats und schickt gleich den Verve-Klassiker «Sonnet» hinterher. Die meisten Songs stammen aber aus den Solojahren, was der Stimmung keinen Abbruch tut, denn Ashcroft ist ein konstant guter Songwriter, stark bei Stimme und in Spiellaune. Hinter ihm agieren drei Musiker nach englischer Tradition kompakt und zupackend, die Streicher kommen aus der Dose.
Apropos Streicher: «Bittersweet Symphony», der Überhit, steht zwar auf den Shirts am Merchandise-Stand und auch auf den Setlists des technischen Personals, zu Gehör bekommt man das Lied aber nicht.
Göttliches Getöse
Nächster Halt Verpflegungsstand, das Essen ist bei einem Festival ein wichtiger Aspekt. Es gibt Würste, Pommes, Sandwiches und Salat. Steak und vegetarische Nuggets sind auf der Karte durchgestrichen. Dafür kann man beim Essen dem alten Mandel zusehen, wie er mit Kabelbindern Plakate für die Konzerte in Augusta Raurica an die Bauzäune hängt, die das Gelände begrenzen.
Die Stimmung ist gut. Eine junge Bernerin lobt das Ambiente und findet die Halle eine schöne Location. Eine Deutsche im Gothic-Look findet sechs Franken für fünf Deziliter Bier viel, aber sie ist auch nicht oft in der Schweiz.
Dann ist es Zeit für Garbage. Bandgründer Butch Vig fehlt wegen einer Nebenhöhlenentzündung, doch als Trommler ist der Produzent ersetzbar. Auch ohne ihn zeigt sich die Band bei allen Sounds, die da reingemischt werden, als Rockmaschine. Namentlich Steve Marker und Duke Erikson entfachen an den Gitarren ein grandioses Getöse, das den Gesang zeitweise übertönt.
Schwächer geworden ist bei Shirley Manson nur der schottische Akzent bei den Ansagen.
Dabei ist Shirley grossartig bei Stimme. Hits aus dem Frühwerk wie «I Think I’m Paranoid» schmettert sie mit mehr Kraft als damals. Schwächer geworden ist nur ihr schottischer Akzent bei den Ansagen. Doch er ist noch da, so wie die alte, kratzbürstige Shirley. Eine wie sie wird nicht plötzlich volksnah, geschweige denn ein Star zum Anfassen. Zu einer wie ihr schaut man auf. «So, du hättest gern mehr Gitarren. Sonst noch was, das ich für jemanden tun kann – deine Schuhe putzen vielleicht?», entgegnet sie einem, der in ihre Begrüssungsworte reinschreit.
Als Frontfrau bleibt sie unerreicht. Beim Live-Klassiker «#1 Crush», wie andere Stücke etwas umarrangiert, singt sie die erste Strophe auf Händen und Knien über die Bühne kriechend, die zweite dann mitten ins Gesicht von Gitarrist Steve Marker. Es ist atemberaubend.
Zugegeben, das ist die subjektive Empfindung eines alten Fans, aber ich bin ja nicht fürs Honorar hier, sondern wegen Shirley. Der bescheidende Zuschaueraufmarsch hat auch sein Gutes: Nicht viele Leute können behaupten, Garbage in einem so intimen Rahmen erlebt zu haben.
Beim Verlassen des Geländes ist der Weg zwischen den Büschen mit Lampen an Bauzäunen beleuchtet. Draussen wartet der Shuttle-Bus auf Konzertbesucher aus Rheinfelden. Auch wenn nicht viele Leute da waren, das Z7 sorgt dafür, dass sie gut heimkommen.