Nur mit Stimme, Posaune und Gitarre begeisterten Chamber Soul aus Zürich im Bird’s Eye mit intensiver Intimität und der Voice-of-Switzerland-Sängerin Brandy Butler.
Der Soul kann in vielerlei Gewändern auftreten. Er kann einen mit massivem, funky Bläserapparat überwältigen und mit herausgeschrieenem Spirit. Er kann seinen Schmerz und seine Lust in die Begleitung eines schillernden Streichorchesters einkleiden. Oder er kann, wie am Donnerstag im Bird’s Eye geschehen, seinen selbstbewussten Charme in einer konzentrierten Triobesetzung verströmen, was einen nicht minder packt als der opulente Band- und Orchesterkontext. Chamber Soul aus Zürich spielen also genau das, was ihr Name verspricht – aber Achtung: das Line-Up mag kammermusikalisch sein, Musik fürs stille Kämmerlein wird hier beileibe nicht fabriziert.
Die Besetzung ist nicht nur reduziert, sie ist auch in ihrer Zusammensetzung höchst ungewöhnlich: Stimme, Posaune, Akustikgitarre, das hat es nicht oft im Genre. Zentral ist freilich die Stimme von Brandy Butler, die gleich zu Beginn des Auftritts in «Something Good» über das grosse Abenteuer erzählt, wie sie vor zehn Jahren von Philadelphia nach Bonstetten kam. Sie ist in der Schweiz spätestens seit ihrer fulminanten Teilnahme an der Voice of Switzerland eine kleine Berühmtheit geworden. Zu Recht, denn gerade in diesem intimen Rahmen kann sie mit einer nicht allzu häufigen vokalen Qualität auftrumpfen. Wie viele Krampfhennen und Heulsusen muss gerade heute der Soul über sich ergehen lassen, Sängerinnen, die mit ihren Stimmchen immer am Rande ihrer Fähigkeit herumlavieren.
Kostprobe von Chamber Soul:
Butler entwickelt eruptive Kraft
Butler dagegen geht – grosse Soulkunst – wohldosiert mit ihrem Potenzial um: Erdig-zurückgenommen in den Tiefen, mit erzählend-sonnigem Gestus in den Mitten, frech zieht sie die Schlusstöne der Phrasen, scattet mit übermütigen Intervallsprüngen, klettert dann strahlend in die Höhen, um in wenigen, aber dafür umso effektvolleren Passagen in ein hitziges Shouting zu kippen. Dabei entwickelt sie eine so eruptive Kraft, dass sie das Mikro weit weghalten muss.
Doch in diesem Trio sind alle Hauptakteure: Posaunist René Mosele schmiegt sich ab und an als zweite Melodiestimme an den Gesang, verlässt sich meistens aber auf seine unerschöpfliche Gabe der Improvisation. Ausdauernd und beredt kennt sein kontrapunktierender Erfindungsreichtum keine Grenzen, in seinem munteren bis feurigen Erzählton verbindet er warme Glissandi und knarrende Bassakzente mit scharfen Spitzen, singt auch mal in Mangelsdorff-Manier beim Spielen mit – wo nimmt der Mann seinen Atem her? Die Grundierung kommt von Roman Hosek, der auf der Akustischen mit effektvollen Stopps, cleveren Hammerings und elaborierten Changes harmonisch-melodische Begleitstrukturen mit perkussiver Handhabe verbindet, auch mal eine ratternde Django-Reinhardt-Gitarre liefert.
Ausflüge in Nachbars Garten
Das Repertoire ist dabei höchst abwechslungsreich, segelt zwar immer am Soul entlang, erlaubt sich aber auch Ausflüge in Nachbars Garten. Signifikant dabei ist Brandy Butlers Herkunft: Die Dame stammt ja aus Philadelphia, und so ist der schwitzige Südstaatensoul ihr Ding nicht, eher beruft sie sich auf die glitzernd-entspannte Attitüde des Philly-Sounds. Etwa in «When I’m With You», einer schier vor Glückseligkeit japsenden Sommerhymne, in der man die triumphalen Streicher förmlich mithört. Oder in ihrem ganz persönlichen «Brandy’s Blues», in den sich auch ein wenig Stevie-Wonder-Harmonik mischt. Mit «Ocean Eyes» geht es dann sogar in den Country hinein, eine Ballade, die ihre Seelenflügel weit ausspannt.
«When I’m With You» – live gespielt bei Radio 24:
Immer wieder lebt der scheuklappenbefreite Soul des Zürcher Dreiers auch von augenzwinkernden bis leicht sarkastischen Momenten: «Follow You» – Thema: weibliches Stalking! – beginnt Mosele mit einem astreinen Schwenk nach New Orleans, dann wird das Stück als eine Art Gipsy Swing angeheizt. Oder die herrliche «Haterade»: ein kontrollierter musikalischer Blitzableiter für schwelende Hassgefühle, er kommt in Form einer absteigenden Blueskadenz mit Sogwirkung daher. Nach einer bewegenden Hommage an Billie Holiday wird dann auch das begeisterte Publikum miteinbezogen und darf den Refrain von «Back To You» intonieren, eine bissige Nummer über ausgleichende Gerechtigkeit: Fügst du mir Schaden zu, dann wir das alles auf dich zurückfallen. Apropos Gerechtigkeit: Herrschte die im Musikbusiness vor, dann spielten Chamber Soul sehr bald vor ganz grossem internationalem Publikum.