Das Schaulager zeigt in einer umfassenden Ausstellung das Werk des britischen Videokünstlers und Regisseurs Steve McQueen. Eine starke Schau und ein absolutes Muss, nicht nur für Videokunstfreaks.
Einen roten Faden? Den gibts nicht in dieser Ausstellung im Schaulager. Obwohl das Werk eines einzigen Künstlers gezeigt wird. Aber Steve McQueen interessiert sich «für Menschen und alles, was diese umgibt» und holt seine Inspiration «von überallher», wie er im Gespräch mit der TagesWoche sagt. Und so kommt es, dass kaum eines seiner Werke seinem nächsten gleicht. Fast scheint es zwar, als wäre im frühen Werk gerade noch ein ganz dünner roter Faden erkennbar, weil McQueen in seinen Videofilmen meist selber mitwirkte – doch auch das ist ein Trugschluss, wie er selber sagt: «Es ist einfach billig, wenn man gleich selber eine Rolle übernimmt.»
16. März bis 1. September.
Das Ticket ist für drei Eintritte gültig, damit die umfassende Schau auch angemessen genossen und gewürdigt werden kann.
Ein ausführliches Veranstaltungsprogramm ist an der Kasse erhältlich oder online nachlesbar.
Achtung: Manche Filme haben fixe Anfangszeiten.
Zur Ausstellung ist ein Werkverzeichnis/Katalog erschienen.
Vergessen wir also die Suche nach dem verknüpfenden Band und finden zumindest den gemeinsamen Rahmen: In der Schummrigkeit, in die das Schaulager sich für einmal selbst getaucht hat. Zwei Stockwerke sind gefüllt mit Videoinstallationen von Steve McQueen, über sechs Stunden Filmmaterial, die Ausdauer verlangen von den Besuchern und Besucherinnen. Oder ein mehrmaliges Auftauchen, zu dem das Ticket die Inhaber berechtigt. Man habe verhindern wollen, dass die Besucher nach jedem gesehenen Film durch blendend weisse Helligkeit zurück in die Realität gerissen werde, sagt Kuratorin Heidi Naef. Also baute man kurzerhand in zweieinhalb Monaten eine Kinostadt ins Schaulager-Innere, in der man in angenehmer Düsternis von Saal zu Saal wandern kann.
Überglücklicher Künstler
So etwas sei einmalig, sagt auch Steve McQueen, dieser Aufwand, den man betrieben habe. Das ist er in der Tat, und nur das Konzept des Schaulagers macht dies überhaupt möglich. Denn welches Museum kann es sich erlauben, drei Monate für den Aufbau einer Ausstellung aufzuwenden? Das Schaulager, das nur jeden Sommer eine Ausstellung zeigt und eine genügend lange Winterpause dazwischen hat, verfügt über diese Kapazitäten. Und macht damit den Künstler überglücklich.
Denn die Stimmung eines Raumes ist für Steve McQueen essenziell und jeweils gar Teil des Werkes. Am deutlichsten kommt das in der Arbeit «Pursuit» zum Ausdruck. In der Mitte eines vollkommen finsteren Raumes steht eine von beiden Seiten bespielte Leinwand. Die Projektionen zeigen sich bewegende Lichtpunkte. Der Raum selbst ist rundherum verspiegelt, wodurch sich die Projektionen ins Unendliche wiederholen. Es entsteht der Eindruck eines riesigen Raumes, und es kann durchaus passieren, dass man als Besucher aus Versehen an eine der Wände stösst, in der Meinung, der Raum müsste dort eigentlich noch weitergehen: Der Orientierungssinn wird in diesem Werk auf eine harte Probe gestellt.
Derart verwirrt lässt einen keine andere Arbeit zurück, und doch spielen manche ebenfalls mit der körperlichen Wahrnehmung der Betrachter. «Drumroll» zum Beispiel, für das der Künstler drei Kameras in Ölfässern anbrachte und durch New York rollen liess, kann durch den Blick wie aus einer Waschtrommel heraus ein etwas schwindliges Gefühl hinterlassen. «Static» wiederum fordert dazu auf, sich um die im Raum hängende Leinwand herum zu bewegen, analog zur Bewegung des Helikopters, der mit lautem Rotorengeheul um die Freiheitsstatue kreist und die Leinwand mit wackelnden Bildern speist.
Ruhe und Wut
Steve McQueen kann aber auch ganz ruhig. In «Running Thunder» zeigt er ein Pferd, das scheinbar schlafend auf einer Wiese liegt. Nur die Blümlein wiegen sich sanft im Wind. Und es dauert einen Moment, bis man merkt, dass dieses Pferd den letzten Atem ausgehaucht hat, so friedlich wirkt die Atmosphäre. Gleich dahinter führt eine Tür zur Arbeit «Girls, tricky». Der Musiker Adrian Thaws, genannt Tricky, nimmt in diesem Video einen Song über das Aufwachsen ohne Vater auf, brüllt ihn quasi wuterfüllt in die Kamera, nur um nach dem Schlusstakt völlig entspannt in die Kamera zu blicken.
Emotionen weiss McQueen aufzufangen und zu wecken, auch mit seinen Kinofilmen «Hunger» und «Shame», die im Schaulager jedoch eine untergeordnete Rolle spielen und im Auditorium vorgeführt werden. Doch auch politische Töne kommen beim 43-jährigen McQueen vor. «Western Deep» erzählt in fast dokumentarischem Stil von Minenarbeitern, und in «Gravesend» nimmt der Künstler die Frage der Rohstoffausbeutung auf.
Kein roter Faden also, ausser dass bis auf ein paar Fotografien ausschliesslich das Medium Video verwendet wurde. Und der Künstler es als seinen Grundsatz ansieht, keinen Grundsatz zu haben. Die Ausstellung, beziehungsweise McQueens Oeuvre, sind genau wegen dieser eindringlichen Vielfalt mehr als nur sehenswert. Nein, diese Ausstellung ist das Muss auf dem diesjährigen Basler Ausstellungskalender.