Von Opa Zeno über Mama Messer bis zu Sohnemann Otto Normal: Die Acts der BScene-Familie überzeugten am Samstag durchs Band. Schade nur, dass sich das Basler Publikum über weite Strecken des Abends so zurückhaltend zeigte.
Dieser frühe Samstagabend gehört den Basler Frauen – oder genauer: den Damen am Mikrofon der RFV-Region. Denn während Soulröhre Nicole Bernegger, die in früheren Jahren bereits mit ihren Kitchenettes an der BScene begeisterte, gerade im Schweizer Fernsehen zur «Voice of Switzerland» gekürt wird, sorgt Sabrina Tschachtli, die mit erst 25 Jahren kürzlich bereits glorreich in den Vorstand des Basler Rockfördervereins gewählt wurde, im Hirschi-Keller für einen Kickstart ins Wochenende.
Mother Razorblade heisst ihre vierköpfige Frauencombo, welche seit der Gründung 2011 in der regionalen Rock-Szene für Furore sorgt. Und nach wenigen Minuten versteht man auch warum, so enthusiastisch und energiegeladen wie das Quartett der scharfen Mamas hier losbrettert, und damit wohl das Gros ihrer männlichen Kollegen sogleich mit Leichtigkeit an die Wand spielen könnte. Die Selbstverständlichkeit, mit der Mother Razorblade aus Grunge-, Glam Rock- und Heavy Metal-Einflüssen ein wahres Rock’n’Roll-Gewitter entfachen, macht trotz des düsteren Untertons vieler ihrer durchaus tiefgründigen Songs einfach Spass.
Scharfe Mamas, spielwitzige Ottos
Fragt sich nur, weshalb sich das BScene-Publikum über weite Strecken des Auftritts so fürnehm (oder gar verschämt) zurück hält. «Hattet ihr noch zu wenig Bier?», ruft Tschachtli mit heiserer Stimme angriffslustig in die statischen Zuschauerreihen vor der Bühne. Vielleicht ist es auch noch schlicht zu früh am Abend für den hier eigentlich angebrachten Mosh Pit.
Doch auch im Sud steigt die Stimmung eine Stunde später nicht merklich an. Und dies obwohl die junge Formation Otto Normal, die aus den Überbleibseln der einst deutschlandweit erfolgreichen, badischen Hip-Hop-Crew bih’tnik hervorging, auf der Bühne sämtliche Register mit bereits bemerkenswerter Routine zieht. Will heissen: Die sechs Ottos changieren mit ihrer Band gekonnt zwischen Rap-Beats, Funk- und Rockarrangements, springen wie perfekt getimete Gummibälle auf und ab, und spielen sowohl alte biht’nik-Partykracher wie auch ihre neuen, gutgelaunt gesellschaftskritischen Rap-Balladen, die durchaus das Zeug zum Charthit hätten.
Hier im Sud liegt die Wurzel des Übels wohl weniger an den eher locker gefüllten Rängen, sondern vielmehr am aus Rücksicht auf die Nachbarschaft downgegradeten Soundsystem. Was aus Clubsicht verständlicherweise als notwendiges Übel gelten mag, nimmt dem basslastigen Live-Sound an der BScene aber den nötigen Druck – und lässt den Spielwitz mehrheitlich verpuffen. Schade!
Krachendes Kollektiv, Knackiger Opa
Ein kurzer Zwischenstopp bei der Kaserne zeigt auch hier viel freien Platz: Ob das Basler Publikum noch vor den Bildschirmen klebt und die Reithalle statt zu den krachenden Breaks und wuchtigen Fanfaren des «Illeist Collective» erst zum Schlusskonzert der Publikumslieblinge von Das Pferd anpeilt?
Als um Mitternacht wenige hundert Meter weiter im Volkshaus das (genausowie Das Pferd und Bernegger ebenfalls aus dem Fricktal stammende) Trio, das früher Venetus Flos hiess, im blauen Scheinwerfernebel erscheint, offenbart das gleissende Licht der Lightshow aber eine immerhin bis in den hinteren Drittel ordentlich gefüllte Halle.
Zeno nennt sich die Band heute nach dem Grossvater der Brüder Julien und Olivier Bitter, die gemeinsam mit Jan Aebersold das umtriebige Trio bilden: Und genauso wie der Name präsentiert sich auch das aktuelle Repertoire kürzer und knackiger – vor allem allerdings elektronischer. Die analoge Instrumentierung haben die Jungs gegen Keyboard und Synthie eingetauscht, und anstelle vom Pathos früherer Rockstarposen tragen sie heuer abstrakt blinkende Kopfbedeckungen. Der Sound selber: Eine Mischung aus stampfendem Electro-Pop und epischen Melodiebögen, vorgetragen mit eindringlich donnernder Stimme, die teils an Hipster-Bands aus dem englischen NME-Kosmos, teils an den Neo-Hippie-Sound von Combos wie Yeasayer oder Empire of the Sun erinnern, und mit dem sich Zeno bereits jetzt für die grossen Festivalbühnen des Sommers empfehlen.
Da die Arrangements überaus eingängig und catchy, poppig und tanzbar sind, macht sich gegen Ende des Konzerts endlich doch noch unverhofft so etwas wie Euphorie unter den Besuchern breit. Den imposanten Schluss-Applaus hätte man sich angesichts der Qualität des Gebotenen vom grösstenteils verhalten gebliebenen Basler Publikum allerdings bereits einen Tick früher gewünscht.
Zufriedener Präsident – und zukünftige Fragen
Doch woran liegt’s? Am veränderten Ausgehverhalten, oder an der teils vielleicht allzu grossen Kulisse, vor allem für die ersten Slots der Abende? Fest steht: Auch dem BScene-Präsidenten Christoph Meneghetti, der ansonsten ein «sehr, sehr positives Fazit des Festival-Wochenendes» zieht, fiel auf, dass sich dieses Jahr viele Besucher erst verhältnismässig spät auf die Socken machten – was sich mancherorts tatsächlich auf die Stimmung im Publikum ausgewirkt habe. «Wir haben den BScene-Start ja in der Vergangenheit bereits einmal um eine Stunde nach hinten verschoben. Vielleicht müssen wir in Zukunft nochmals später beginnen, oder die ersten Konzerte des Abends vor allem in kleineren Locations starten.»
Dass das Interesse an der BScene in Basel grundsätzlich geringer sei als in vergangenen Jahren, glaubt er dagegen nicht: «Das Endergebnis steht noch aus, aber in punkto Ticketverkäufe bewegen wir uns voraussichtlich im Rahmen des Vorjahres. Eher vermute ich, dass die Zuschauer aufgrund des nach wie vor sehr günstigen Preises des Passes, der ja auch alle Afterpartys beinhaltet, nicht alle schon um halb zehn Uhr auf der Matte stehen – da einem ja auch bei einem späten Start noch sehr viel geboten wird.»
Mehr über den BScene-Freitag gibt es hier zu lesen.