«Harold and Maude»: Ein Hoch auf die kauzige Liebe!

Jahrelang von Kritikern verkannt, findet der Klassiker «Harold and Maude» heute seine wohlverdiente Beachtung. In Essen läuft der Film seit 40 Jahren jeden Sonntag in einem Kino.

Harold and Maude gehen ihrem gemeinsamen Hobby nach –Beerdigungen besuchen. (Bild: imago stock&people)

Eine der kontroversesten Liebesgeschichten des Kinos feiert ein grosses Jubiläum: «Harold and Maude». Seit 40 Jahren läuft der Kultfilm in einem kleinen Kino in Essen jeden Sonntagnachmittag und ist damit der am längsten gezeigte Film in Deutschland. Was hat es mit diesem Film auf sich, dass er die Leute immer noch berührt?

Harold ist ein junger Mann, der verzweifelt um die Aufmerksamkeit seiner perfektionistischen, oberflächlichen Mutter kämpft. Da sie ihn nicht mit wohlwollender Beachtung belohnt, versucht Harold es auf die makabere Tour. Aufwendig und spektakulär inszeniert wiederholt er seinen Selbstmord, was die Mutter in der Regel mit kalter Gleichgültigkeit quittiert.

Wenn er nicht gerade seinen eigenen Tod vortäuscht, treibt er sich an Beerdigungen fremder Leute herum, wo er eines Tages auf Maude trifft. Sie ist eine ältere Dame kurz vor ihrem 80. Geburtstag, welche ihr Leben nach ihren eigenen Regeln lebt. Sie stiehlt Autos, steht nackt Modell für die Eisskulpturen ihres Nachbars oder rettet Bäume aus der Stadt.

Die beiden werden Freunde und bald darauf ein Liebespaar. Maudes Lebensfreude und ihre schrullige Art beginnen auf Harold abzufärben, schnell blüht dieser auf und wird zu Hause aufmüpfiger. Seine Mutter, sein Psychiater und sein Onkel, ein Militärkopf, beissen sich an ihm die Zähne aus. Vergeblich versuchen sie, ihn zu einem konventionellen Lebensstil zu überreden.

Schliesslich eröffnet Harold seiner Mutter, er beabsichtige Maude zu heiraten. Doch Maude hat andere Pläne. Genauso nonchalant wie sie ihre Mini-Rebellionen gegen Staat, Gesellschaft und Gesetzeshüter verübt, lässt sie Harold zurück. 

Trotz dieses Endes ist «Harold and Maude» kein Film übers Aufgeben. Im Gegenteil, es geht ums Ausscheren. Mit der richtigen Mischung aus Anarchie und Galgenhumor sichern sich die beiden Querschläger Harold und Maude ihren Platz in der Gesellschaft. Wie sagt Maude noch: «Harold, everyone has the right to make an ass out of themselves. You just can’t let the world judge you too much.» (Harold, jeder hat das Recht sich zum Narren zu machen. Du kannst dich nicht zu sehr darum kümmern, was alle Welt von dir hält.) Und wie jeder das Recht hat, sein Leben zu leben, wie er möchte, nimmt sie sich auch ihr Recht es zu beenden, als sie eben nicht mehr will.

Ein Flop an der Kinokasse

Der schwarze Humor und die kontroversen Themen gingen den Kritikern der ersten Stunde gegen den Strich: In einer Tour wurden Staat, Klerus und die biedere Gesellschaft vorgeführt. Dazu kommen der Freitod von Maude und Harolds Todes-Obsession. Der morbide Witz wurde damals bestenfalls als geschmacklos empfunden und die Vorstellung einer Liaison zwischen einem so jungen Mann und einer viel älteren Frau stiess das breite Publikum ab. Der Film war ein kommerzieller Misserfolg.

Erst 1983, ganze zwölf Jahre später, kam der Film zu seinem wohlverdienten Ruhm und entwickelte sich zum Kultklassiker. Die Paramount Studios verschickten «Harold and Maude» an Universitätskinos und sogenannte stock cinemas (Kinos, die darauf konzipiert sind, eine kleine Auswahl von Filmen über einen langen Zeitraum zu zeigen).

An gewissen Orten wurde der Film jahrelang gezeigt. Eine neue Generation von Zuschauern entdeckte die Liebesgeschichte für sich und sah mehr darin als nur das «Ein Teenager, der mit seiner Grossmutter schläft»-Klischee, an dem er damals gescheitert war. 



Weder fremde Autos noch Polizei-Töffs sind vor Maude sicher.

Weder fremde Autos noch Polizei-Töffs sind vor Maude sicher. (Bild: imago stock&people)

Auch in Europa hatte es «Harold and Maude» zu Beginn schwer. Seine Anhänger fand er in den früheren Arthouse-Kinos. In der «Lichtburg Essen» läuft der Film bereits seit 40 Jahren. Die Programmkinobetreiber kauften sich 1975 die deutschen Rechte am Film. Als nach 30 Wochen die Besucherzahl nachliess, behielten sie den Film trotzdem im Programm, ganz einfach weil sie ihn so mochten.

Die Kinobetreiberin Marianne Menze sagt: «Ich bekomme immer wieder Bescheid von Leuten, die beteuern, seit der ersten Vorführung dabei gewesen zu sein und den Film schon zig mal gesehen haben.» Hartgesottene Fans kommen jährlich in die Vorstellungen. Manchmal sitzen nur zwei Leute dort, manchmal sind es aber auch 50.

Jubiläum mit Leichenwagen

Diesen Samstag findet die Jubiläumsaufführung statt, mottogerecht mit Leichenwagen vor dem Kino, Ingwerplätzchen und Strohtee, wie Maude sie im Film Harold anbietet. Freien Eintritt erhält jede ältere Dame mit einem jungen Begleiter.

Pläne, den Film aus dem Programm zu streichen, gebe es vorerst nicht. «Vielleicht wird es zum 50-jährigen Jubiläum sogar eine Sondervorführung mit Bud Cort geben, so er denn noch am Film interessiert ist», sagt Marianne Menze am Telefon und lacht.

Bud Cort.

Bud Cort. (Bild: imago stock&people)

Für Bud Cort war die Rolle des jungen Harold Fluch und Segen zugleich. Sie markierte den Beginn seiner Karriere, aber er wurde den Typus des brütenden Sonderlings lange nicht los. Er lehnte in Folge viele Angebote ab, darunter auch eine Rolle im Film «Einer flog über das Kuckucksnest». Dumm gelaufen! Seither ist er vorwiegend in Trashfilmen und Fernsehproduktionen zu sehen – von einer erfolgreichen Laufbahn kann keine Rede sein.

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