Heftiges Hickhack um Stockhausen-Übertragung

Am 1. Oktober hätte die Basler Inszenierung von Karlheinz Stockhausens Oper «Donnerstag aus ‹Licht›» live im Internet gestreamt werden sollen. Die Erben des gestrengen Komponisten wehren sich nun aber plötzlich dagegen.

Die Basler Stockhausen-Inszenierung wird international als Meilenstein gefeiert.

(Bild: Sandra Then)

Am 1. Oktober hätte die Basler Inszenierung von Karlheinz Stockhausens Oper «Donnerstag aus ‹Licht›» live im Internet gestreamt werden sollen. Die Erben des gestrengen Komponisten wehren sich nun aber plötzlich dagegen.

Andreas Beck, Intendant des Theaters Basel, ist sauer. «Dann wird es wohl erst in 61 Jahren möglich sein, sich dem Werk Karlheinz Stockhausens künstlerisch und frei zu nähern, ohne Beleidigungen oder subjektiv motivierten Einschränkungen seitens der Stockhausen-Stiftung ausgesetzt zu sein.» Mit diesen harschen Worten lässt er sich in einer Medienmitteilung des Theaters Basel zitieren.

Was ist geschehen? Das Theater Basel wollte die Neuinszenierung von Stockhausens Oper «Donnerstag aus ‹Licht›» am 1. Oktober live im Internet streamen. «Für dieses Live-Streaming hatte das Theater Basel mündlich in Vertragsverhandlungsgesprächen sowie per E-Mail die Erlaubnis der Stockhausen-Stiftung erhalten», heisst es in der Mitteilung. Nur: Bedauerlicherweise sei dies nicht eindeutig in den Aufführungsvertrag aufgenommen worden.

Stockhausen-Puritaner auf den Barrikaden

Das ist eine kleine Unterlassung mit grosser Wirkung. Denn die Stockhausen-Stiftung, die den Nachlass des 2007 verstorbenen Komponisten verwaltet, gilt als nicht gerade locker im Umgang mit Künstlern oder Institutionen, die das Werk aufführen möchten. Das Theater Basel hatte mit der Inszenierung von Lydia Steier – es war erst die dritte Inszenierung des Werks überhaupt – neue Wege beschritten. Die Aufführung wurde deswegen international als Meilenstein in der Rezeptionsgeschichte gefeiert. In den Medien und vom Publikum.

Nicht aber in den Reihen der Stockhausen-Stiftung. Diese gibt sich empört über die Inszenierung. In einem E-Mail an die beteiligten Musiker und Sänger brandmarkte die Stiftung die Aufführung als Verfehlung. Die Regisseurin habe «zahlreiche Partiturvorgaben Stockhausens missachtet und die Handlung in wesentlichen Aspekten so verändert», dass Stockhausens Kernaussage nicht mehr nachvollziehbar sei, zitiert das Theater Basel aus dem E-Mail.

Rechtsstreit entbrannt

Zwischen dem Theater und der Stiftung ist nun kurz vor dem Übertragungstermin ein Rechtsstreit entbrannt. Geklärt werden soll, ob die Stiftung angesichts der mündlich und per E-Mail erteilten Zusage das Streaming nachträglich überhaupt untersagen kann. Das Theater und die für das Live-Streaming zuständige Firma sind laut Mitteilung des Theaters unter Androhung einer einstweiligen Verfügung aufgefordert worden, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen.

Gegen diese einstweilige Verfügung haben das Theater Basel und die Firma Sonostream.tv Einsprache erhoben. Weil die Übertragung bereits am Samstag eingeplant ist, wird die Zeit sehr knapp. Oder im anderen Fall sehr lang: Um auf die eingangs erwähnte Aussage von Andreas Beck zurückzukommen: In 61 Jahren wird der Urheberrechtsschutz für Stockhausens Werk verfallen.

Nachtrag: Inszenierung wird ausgezeichnet

Eine ganz andere Meinung hat die deutschsprachige Opernkritikergilde von der Basler Inszenierung des selten gespielten Werks: Sie wurde in der Umfrage der Zeitschrift «Opernwelt» zur «Aufführung des Jahres» gekürt. «Titus Engel (Musikalische Leitung) und Lydia Steier (Inszenierung) verknüpfen in der ersten Neuproduktion seit drei Jahrzehnten den spirituellen Ideenkosmos des Werks mit Motiven aus Nachkriegsgeschichte und Lebenswelt des Komponisten», wird gelobt. Eben gerade das, was die gestrengen Erben so scharf kritisieren.

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