Die britische Performertruppe Forced Entertainment breitet am Theaterfestival Basel Shakespeares Gesamtwerk auf dem Küchentisch aus: ein minimalistisches Ereignis der Extraklasse, das man sich keinenfalls entgehen lassen sollte.
Ein grössenwahnsinniges Projekt, mag man im ersten Moment denken. Shakespeares gesamtes dramatisches Werk in neun Tagen? Ein Wahnsinn! Auch wenn sich die Truppe, die sich das vorgenommen hat, Forced Entertainment nennt, ist das doch unmöglich durchzuhalten. Denn der grosse Dramatiker, dessen 400. Todestag wir in diesem Jahr begehen, hat nicht weniger als 36 Stücke geschrieben.
Aber Forced Entertainment schafft das. Die britischen Künstler haben die grossen Tragödien und Komödien auf ein handliches Format eingedampft: Knapp eine Stunde steht pro Drama zur Verfügung. Und statt Menschen auf der Bühne erleben wir Utensilien aus dem Küchenregal, dem Putzschrank und der Werkzeugkiste, die von einem Spieler und Erzähler über einen Tisch gezogen werden. So schafft die Truppe im Rahmen des Theaterfestivals Basel im Jungen Theater Basel vier Stücke pro Abend.
Mokkamaschine als Coriolanus‘ Mutter
Das mag jetzt recht seltsam klingen. Ist es aber keineswegs. Die grosse Reihe begann am Donnerstag im Jungen Theater Basel mit der Tragödie «Coriolanus». Die Geschichte des römischen Feldherrn, der vom Feind des Volks zum Held wird und am Schluss als Folge seiner Arroganz doch sein Leben lassen muss, ist ein eher «Ferner-liefen»-Stück. Aber von Jerry Killick am und auf dem Tisch gespielt und erzählt wird es zum hinreissenden Erlebnis.
Coriolanus ist hier ein etwas abgewetzter Pokal. Aber immerhin um einiges grösser als das mikrige Volk Roms, das als kleine Schrauben, Batterien oder Blechschächtelchen auftritt, und stärker als das gesamte feindliche Heer, das als Putzmittel und -schwämme Rom wegputzen will. Killick erzählt mit ruhiger Stimme und grosser Präsenz. Während er die wichtigen Szenen beschreibt, die Konfrontation zwischen Coriolanus und den Volkstribunen zum Beispiel, reichen kleinste Bewegungen aus, um viel zu bewirken. Eine kleine Drehung der Schrauben: «Citizens look at each other and …» und man ist mitten drin in der spannenden Geschichte.
Reizende Ernsthaftigkeit
Das Besondere an der Performance von Forced Entertainment ist, dass sie Shakespeare nicht verballhornen. Es ist kein Comedy-Stückchen in der Art von «Wagners Ring in fünf Minuten». Die Stücke werden vielmehr in grosser Ernsthaftigkeit nachgestellt. Und die Utensilien, die zu den grossen Figuren werden, sind inhaltlich stimmig ausgewählt. Eine Mokkamaschine als Coriolanus Mutter: Das bekommt auf der Tischbühne eine schlüssige Logik.
Das Personal aller Shakespeare-Stücke steht im Küchenregal bereit. (Bild: Hugo Glendinning)
So wird man viele berühmte und weniger bekannte Shakespeare-Figuren und letztlich auch Stücke neu kennenlernen. Am Montag, 5. September, 20 Uhr zum Beispiel Hamlet in Form einer Balsamicoessig-Flasche. Klingt spannend.
Und wer den Gang ins Junge Theater nicht schafft (was zu bedauern wäre) oder wer noch viel mehr live sehen möchte, als er physisch bewältigen kann, der kann sich die Shakespeare-Stückchen auch im Livestram angucken, der Dank der Unterstützung durch das British Council und «Shakespeare Lives in 2016» ermöglicht wurde: Livestream «Complete Works: Table top Shakespeare» – bis 9. September, jeweils ab 18 Uhr.
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Forced Entertainment am Thesterfestival Basel: «Complete Works: Table top Shakespeare». Jeden Abend vier Stücke, bis 9. September 2016.