Hundert Tode zum Saisonauftakt

Im Theater Basel wird zum Saisonauftakt gestorben – inszeniert auf der Bühne und sprichwörtlich hinter den Kulissen.

Intendant Andreas Beck (mit Mikrofon) und ein Teil seiner Crew begrüssen das Publikum zur neuen Theatersaison.

(Bild: Dominique Spirgi)

Zwei Solisten erkrankten vor der Aufführung zum Saisonauftakt, weil die Heizungen nicht funktionierten. Sie traten am Donnerstagabend trotzdem auf in einer Produktion, in der hundert Tode gestorben werden.

Gut einen Monat später als üblich startete das Theater Basel am Donnerstagabend in seine neue Spielzeit – ein Saisonauftakt, der nach dem Direktionswechsel zugleich Startschuss einer neuen Ära war. Grund für die Verspätung waren die umfassenden Sanierungsarbeiten, die bei den Verantwortlichen des Bau- und Verkehrsdepartements sowie des Theaters für viel Nervenflattern gesorgt haben.

Dem Ensemble hingegen bescherten sie Erkrankungen. Bevor sich der Vorhang der Eröffnungsproduktion zu Modest Mussorgskys wuchtiger Oper «Chowanschtschina» hob, trat der neue Intendant Andreas Beck vors Publikum. Und wie fast immer, wenn ein Direktor solches tut, gab es nicht nur positive Nachrichten zu vermelden. Zwei der Solisten seien schwer erkrankt, verkündete er, aber sie würden sich dadurch nicht von einem Auftritt abhalten lassen.

Heizungs- und Toilettenproblem

Grund für die Erkrankung war, dass es den Verantwortlichen bis zum letzten Tag vor Saisonbeginn nicht gelang, die erneuerte Heizung im Theater in Gang zu bringen. Und eine Probenzeit in Kälte und Durchzug sind des Sängers Tod – natürlich nur sinnbildlich verstanden.

Die erfreuliche Nachricht aber sei, dass die Heizung just zum Saisonstart endlich ihren Dienst aufgenommen habe, wie Andreas Beck vor der Vorstellung mit einem freudigen Lächeln auf dem Gesicht sagte. Auch Thomas Bertschmann, der als Vertreter des beauftragten Generalunternehmers noch bis zuletzt nach dem letzten Heizungsschalter suchen liess, den es umzuwerfen galt, zeigte sich als Premierengast erfreut über die wohlige Wärme im Foyer und im Zuschauerraum.

Erfreut war er überdies darüber, dass auch das zweite Problem rechtzeitig gelöst werden konnte: Die sanierten und im Damenbereich ausgebauten Toiletten funktionierten, was bei einem Opernabend von gut dreieinhalb Stunden Dauer nicht unwesentlich ist. Es sind übrigens gediegene Orte für die unaufschiebbaren Bedürfnisse geworden, wie sich bei einem Augenschein (nur bei den Herren) offenbarte.

Hämmern bis kurz vor Vorstellungsbeginn

Aber es war zeitlich knapp. Wie von Theatermitarbeitern zu erfahren war, wurde bis kurz vor Öffnung der Eingangspforte an allen Ecken und Enden noch gehämmert und gestrichen. Nachvollziehbar, dass die Verantwortlichen da sprichwörtlich hundert Tode gestorben sind.

Gut hundert nicht sprichwörtliche, sondern inszenierte Tode wurden auch auf der Bühne gestorben. Mussorgskys wuchtige Oper endet in einem wahrhaftigen Todesrausch – einem, der einiges an Zeit in Anspruch nimmt: Von den gut 80 Darstellerinnen und Darstellern, Solisten, Chorleuten und Statisten gibt es nämlich kaum einen, der die dramatische Geschichte um Macht und enttäuschte Liebe überlebt.

Die Oper überlebt

Auch wenn an diesem Abend so viel gestorben wurde, stellte er eines doch in aller Deutlichkeit klar: Die Oper lebt in Basel weiter. Befürchtungen, wonach die neue Leitung diese Sparte vernachlässigen könnte, waren unbegründet. So pathetisch-operhaft, wie mit «Chowanschtschina», wurde schon lange keine Basler Theatersaison mehr eröffnet.

» Wie war denn nun eigentlich die Opernaufführung selbst? Lesen Sie die Kritik von Jenny Berg

Nächster Artikel