«Ich denke, er geniesst es sehr»

Ein alternder Folksänger hatte tausende Fans, nur wusste er nichts davon. Bis sie ihn zu suchen begannen und ihm zu spätem Ruhm verhalfen. Der schwedische Dokumentarfilmer Malik Bendjelloul spricht über seinen Dokumentarfilm «Searching For Sugarman».

Sixto Rodriguez in den Siebzigern im Studio. (Bild: © Cineworx)

Ein alternder Folksänger hatte tausende Fans, nur wusste er nichts davon. Bis sie ihn zu suchen begannen und ihm zu spätem Ruhm verhalfen. Eine wahre Weihnachtsgeschichte, erzählt von einem schwedischen Dokumentarfilmer.

Der Amerikaner Sixto Rodriguez (70) veröffentlichte in den Siebziger Jahren zwei Folkplatten. Beide blieben ohne Erfolg und beendeten seine Karriere, ehe sie begann. Im Südafrika zur Zeit der Apartheid jedoch waren seine Songs, die vom unbeugsamen Drang nach Freiheit kündeten, populärer als die Hits von Elvis oder den Rolling Stones. Rodriguez wurde zum Sänger der weissen Anti-Apartheid-Bewegung und schliesslich zu einem Star, dessen Songs in jedem zweiten Haushalt liefen. Nur sagte es ihm keiner – bis seine südafrikanischen Fans sich 1996 auf die Suche nach ihm machten, ihn in einer unbeheizten Hütte am Rande der Industriestadt Detroit fanden und ihm zu späten Ruhm verhalfen. Der schwedische Dokumentarfilmer Malik Bendjelloul (35) ist nach Kapstadt gefahren und hat die Geschichte in seinem preisgekrönten Film «Searching For Sugarman» nacherzählt. Die TagesWoche traf ihn in Basel zur Schweizer Kinopremiere.

Malik Bendjelloul.

Malik Bendjelloul. (Bild: Keystone)

Herr Bendjelloul, Sixto Rodriguez war jahrzehntelang ein Star, ohne dass er davon wusste. Im Zeitalter von Google ist so eine Geschichte kaum mehr vorstellbar.

Malik Bendjelloul: Ja, das ist kaum zu glauben. Es hatte mit den besonderen Umständen zu tun. In Südafrika war er so berühmt, dass ihn sowieso jeder kannte, im Rest der Welt jedoch war er völlig unbekannt. Er fiel also zwischen die Stühle. Ausserdem galt er in Südafrika als tot – es kursierte das Gerücht, er habe sich während eines seiner viele erfolglosen Konzerte in den USA auf der Bühne erschossen. In Südafrika zur Zeit der Apartheid waren ausserdem viele Platten, die Protestsongs oder politische Botschaften enthielten, zensuriert. Rordriguez hatte so betrachtet Glück: Weil ihn anfangs keiner kannte, war nur ein Bootleg, eine Schwarzpressung, erhältlich. Und als seine Lieder immer berühmter wurden, konnten sie kaum mehr erfolgreich verboten werden.

Viele Folksänger verwebten Themen des Aufstands in ihren Texten, zum Beispiel Bob Dylan. Warum wurde Rodriguez so wichtig für Südafrika?

In Rodriguez‘ Texten sind die Botschaften sehr explizit. Er sang beispielsweise: Steh auf und stürze die Regierung! Das hat Dylan meines Wissens nie so deutlich geschrieben. Für die weisse Anti-Apartheid-Bewegung waren das wichtige Songs. Sein Texte sind sowieso auf einem hohen Niveau, das muss man sagen. Sehr poetisch, aber auch sehr aufrüttelnd. Ausserdem ist er eine unbeugsame Natur. Als in den siebziger Jahren seine ersten Alben in den USA veröffentlicht wurden, wollte die Plattenfirma seinen Namen ändern, wie es auch Dylan gemacht hat. Sie dachten: ein mexikanischer Name funktioniert nicht für ein Folk-Publikum. Rodriguez sperrte sich dagegen und sagte, ich werde nicht meinen Namen nicht für die elende rassistische Musikindustrie wechseln. So ist er.

Sie sind der erste, der diese Geschichte in einer Dokumentation erzählt. Wie sind Sie darauf gestossen?

Ich habe in Schweden fürs Fernsehen bereits halbstündige Dokumentationen über Musiker gedreht, über Kraftwerk oder U2. Vor einigen Jahren kündigte ich meinen Job, kaufte mir ein billiges Round-The-Globe-Flugticket und ging mit der Kamera für sechs Monate auf Reisen. Ich suchte nach neuen Geschichten. Ich habe viele gefunden, aber die über Rodriguez und seine Fans in Südafrika war die beste. Am Anfang dachte ich, in sechs Monaten sei der Film gedreht. Schliesslich wurden es vier Jahre.

Ihr Film wurde in den Abendshows von David Letterman und Jay Leno vorgestellt und als Eröffnungsfilm für das renommierte Sundance-Festival ausgewählt. Damit begann für Rodriguez auch in den USA eine späte Karriere. Wie reagiert er darauf?

Er hat mir gesagt: Danke Malik, Du hast mir einen Namen gemacht. Ich antwortete ihm: Ich habe zu danken, Rodriguez, es ist genau umgekehrt. «Searching For Sugarman» ist mein erster Kinofilm, und nun erhalte ich plötzlich Drehbücher aus Hollywood. Es ist verrückt, was passiert, und ich werde nächstes Jahr wieder etwas auf Reisen gehen, um neue Stories zu finden, aber vor allem, um wieder etwas herunterzukommen. Rodriguez geniesst den Erfolg, da bin ich sicher. Nicht der Ruhm ist ihm wichtig, sondern dass er regelmässig auftreten kann und die Leute seine Lieder hören kommen. Er hat immer gesungen und immer geübt, all die Jahre, und an seiner Musik weiter gearbeitet. Seine Geschichte ist eine moderne Version von Aschenputtel, und das macht sie so berührend: Ein Mann, der jahrelang in Armut lebte, keine Heizung und keine Elektrizität in seinem Haus hatte und mit einem Holzofen kochte, der als Dachdecker und Bauarbeiter arbeitete – dem erzählt plötzlich jemand, an einem anderen Ort auf der Welt sei er berühmter als die Rolling Stones. Und als er dorthin eingeladen wird, warten rote Teppiche, Limousinen, tausende heulende Fans. Er ist nicht der Typ, der grosse Reden darüber verliert, dass die Leute ihm die Füsse küssen wollen. Aber ich denke, er geniesst es sehr.

 

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