«Ich fühle mich so leer plötzlich»

Die Theaterproduktion «What You See Is Not What You Get» läuft zurzeit am Theater Roxy in Birsfelden. In diesem etwas anderen Interview nimmt Hauptdarsteller Patrick Gusset Stellung zu seinem neusten Stück.

Die Theaterproduktion «What You See Is Not What You Get» läuft zurzeit am Theater Roxy. In diesem etwas anderen Interview nimmt Hauptdarsteller Patrick Gusset Stellung zu seinem neusten Stück.

Das Theaterstück «What You Want Is Not What You Get», das sich mit Medienmanipulation und Publikumserwartungen beschäftigt, wurde letzte Woche uraufgeführt und ist noch heute und morgen im Theater Roxy zu sehen.

Im folgenden, hier exklusiv veröffentlichten Gespräch mit Interviewer Christian Hansen nimmt Hauptdarsteller Patrick Gusset Stellung zum Stück – und spielt dabei getreu dem Motto «What You Want Is Not What You Get» mit den Publikumserwartungen. 

Herr Gusset, Sie sind Teil der neuen Produktion von Lumpenbrüder Productions «what you want is not what you get», die zurzeit am Theater Roxy zu sehen ist. Wie geht es Ihnen und Ihren Kollegen?

Wir werden das Theatermachen aufgeben. Es war zu schlimm. Der Autor macht in Zukunft Trockenbau, der Regisseur wird Schaffner und wir Schauspieler gründen eine Baumschule.

Das klingt schlimm!

Keine Sorge. Niemand von uns gibt das Theater auf. Es geht uns blendend, könnte nicht besser sein, es läuft phantastisch, überragend. Kaum zu glauben, wie perfekt es ist.

Das wiederum glaube ich Ihnen nun auch wieder nicht.

Wieso nicht?

Wann ist man denn schon überglücklich? Es gibt doch immer kleine Zweifel, Sorgen, Ängste, die an einem nagen. Nichts dergleichen?

Ein denkender Mensch zweifelt immer irgendwie an dem, was er tut. Wer hundertzehnprozentig zufrieden mit sich ist, hat aufgehört, nach etwas Grösserem zu streben.

Also doch nicht überglücklich.

Grad eben war ich es. Jetzt ist es irgendwie vorbei. Ich fühle mich so leer plötzlich. Völlig zerschlagen.

Wie kommt’s?

Ach, Ihre Fragen. Immer diese vielen Fragen. Fürchterlich… Nichts ist sicher, alles in permanenter Wandlung begriffen, wie soll man sich da positionieren?

Wird diese Frage nicht auch in dem besagten Stück verhandelt?

Auf keinen Fall. Es geht um Fussball. Neunzig Minuten lang, mit einer 15-minütigen Pause und Seitenwechsel.

Sicher. Jetzt mal den Spass beiseite. Wonach streben Sie?

Wonach ich strebe? Perfektion. Nach der allumfassenden Zufriedenheit. Nach Glück. Nach dem Gefühl, angekommen zu sein bei mir. Künstlerisch. Beruflich. Aber natürlich auch: privat. Nach der ewigen Liebe und der inneren Freiheit. Nach Unabhängigkeit und Geborgenheit. Askese und Reichtum. Alles gleichzeitig. Danach strebe ich.

Und werden Sie Ihr Ziel erreichen eines Tages?

Ich arbeite daran.

Die besagte Produktion trägt den Titel «what you want is not what you get». Klingt nicht sonderlich optimistisch.

Das kommt drauf an, wie man den Titel versteht.

Wie kann man ihn denn verstehen?

Wie verstehen Sie ihn?

Man kriegt nicht, was man will.

Es könnte aber auch bedeuten: was man bekommt, ist nicht das, was man gewollt hat. Da gibt es schon auch eine positive Lesart. Nur weil das, was man bekommt, nicht ist, was man wollte, ist es nicht zwangsläufig schlechter. Im Gegenteil. Die Ursache für die große Unzufriedenheit mag darin liegen, andauernd in die Zukunft und Vergangenheit zu starren, statt sich im Jetzt zu fragen, wie es einem geht. Oder nicht?

Davon handelt das Stück also?

Nein. Fussball. Wie gesagt. Wir interessieren uns nur für Fussbälle. Nicht für das Spiel. Den Ball selbst. Leder. Nähte. Da gibt es viel Spannendes zu entdecken.

Verstehe. Ähm. Gut. Dann springe ich mal zur letzten Frage: Sind Sie zufrieden mit sich und Ihren Leistungen? Sind Sie ein glücklicher Mensch? Haben Sie, was Sie wollten? Kriegen Sie, wonach Sie sich sehnen? Hat sich Ihr Lebensziel erfüllt?

Diese Antwort habe ich bereits einmal gegeben: Ich muss niemandem Rechenschaft ablegen, außer mir selbst. Und darin liegt die Katastrophe. Es gibt keinen Anhaltspunkt, außer dem meiner eigenen, unerfüllten Erwartungen an mein Leben. Die meisten Erwartungen sind eigentlich erfüllt, aber wie es nun einmal ist mit der Selbstwahrnehmung: das, was funktioniert, ist selbstverständlich und wird übersehen; das, was nicht stimmt, was nicht funktioniert, was fehlt, bestimmt mein Urteil über mich selbst. Tag für Tag. Stunde für Stunde. In jedem Augenblick.)

Christian Hansen ist in Wahrheit kein Journalist, sondern Autor, Texter und Dramaturge – unter anderem bei «What You Want Is Not What You Get». Das hier veröffentlichte Gespräch ist ein Beispiel für das Thema «Medienmanipulation», das Spiel mit den Erwartungen des Publikums, um das sich das Stück dreht. 

What You Want Is Not What You Get, Theater Roxy, Birsfelden. Fr, 30.03. und Sa, 31.03., 20 Uhr.  

 

Quellen

Artikelgeschichte

Interview und Video wurden der TagesWoche von Christian Hansen und Patrick Gusset exklusiv zur Verfügung gestellt.

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