«Ich habe diesen dunklen Bereich in mir»

Der katalanische Starregisseur Calixto Bieito spricht über seine «Carmen»-Inszenierung am Theater Basel, über die Liebe und die dunkle Seite in uns allen. Ein Auszug aus dem grossen Interview der TagesWoche-Zeitungsausgabe. Lesen Sie am Montag die Premierenkritik auf tageswoche.ch.

Calixto Bieito: «Ich arbeite exzessiv, aber ich lebe nicht exzessiv» (Bild: Mara Truog)

Der katalanische Starregisseur Calixto Bieito spricht über seine «Carmen»-Inszenierung am Theater Basel, über die Liebe und die dunkle Seite in uns allen. Ein Auszug aus dem grossen Interview der TagesWoche-Zeitungsausgabe. Lesen Sie am Montag die Premierenkritik auf tageswoche.ch.

Herr Bieito, was fasziniert Sie an der Figur von Carmen?

Sie tut Dinge, zu denen andere nicht fähig sind. Ich liebe sie, weil sie gefährlich lebt. Es ist wie bei den Soldaten, die in den Kampf ziehen. Sie können sterben. Und so wie Carmen lebt, wird sie ein Opfer werden. Das macht Carmen so faszinierend.

Und was ist mit ihrer Gegenspielerin Micaela, die versucht, José zu retten?

Sie sucht ein einfaches Leben, in dem alles in Ordnung ist. Aber sie ist auch sehr mutig. Schliesslich folgt sie ihrem José sehr lange nach. Ich mag eigentlich beide Frauen. Aber Carmen ist die spannendere Frau. Sie ist ein unabhängiger Geist.

So wie Sie.

Ja, aber nur auf der Bühne, nicht im richtigen Leben. Ich arbeite exzessiv, aber ich lebe nicht exzessiv.

Unglückliche Liebe ist ein Konstante in Ihren Inszenierungen. Warum eigentlich?

Liebe sie etwas Fragiles, Vergängliches. Carmen ist übrigens glücklich, zumindest immer für den Moment und solange sie tun kann, was sie will. Und sobald sie nicht mehr glücklich ist, verändert sie sich. Aber Carmen hat auch etwas, das schwer zu benennen ist: etwas Dunkles, sehr Faszinierendes. Etwas Gehemnisvolles, das auch Geheimnis bleiben muss.

Glauben Sie nicht, dass wir alle diesen dunklen Bereich in uns haben?

Ich weiss es nicht. Ich kann nicht für andere sprechen. Ich jedenfalls habe diesen dunklen Bereich in mir.

In vielen Opern wird uns unglückliche Liebe vorgeführt; und Sie zeigen uns das überaus deutlich. Glauben Sie nicht an die Kraft der Liebe?

Ich glaube an die Liebe. Es gehört zum Menschen, zu lieben, und geliebt zu werden. Und ich möchte geliebt werden.

Hat sich Ihr Bild von «Carmen» seit der ersten Inszenierung 1999 verändert?

Das Konzept hat sich nicht verändert; die Bilder haben sich zum Teil verändert, die Phantasie. Man kann Carmen bei den Zigeunern spielen lassen, man kann sie in Skandinavien spielen lassen. Aber das Konzept kann ich nicht ändern. Wir haben sehr hart daran gearbeitet. Wir versuchten herauszufinden, was den Süden ausmacht.

Wir gingen nach Sevilla, weiter an die südliche Grenze Spaniens. Wir gingen nach Marokko, und wir fanden da einen Ort voller Mercedes-Autos. Viele Menschen, die versuchten, die Grenze von Marokko nach Spanien zu überqueren. Und da wusste ich, dass das das Milieu für meine «Carmen» war.

Dann hat «Carmen» letzten Endes gar nichts mit Spanien zu tun wie in der Urfassung?

Nein. Carmen kann auch in Sibirien spielen. Es ist die Geschichte einer Frau, die frei sein will, die ihre Emotionen hundertprozentig ausleben will. Sie will Spass haben. Sie will nicht gestoppt werden – bis sie dann jemand tötet. Es ist eigentlich eine ganz einfache Geschichte.

Lesen Sie das ganze Interview in der TagesWoche vom Freitag, 16. Dezember 2011

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