Nathan Howdeshell, Gitarrist und Songwriter von Gossip, ist im Interview erstaunlich offen: Die geschliffenen Produktionen seiner Songs gefallen ihm nicht. Das stört ihn nicht, solange er es auf der Bühne noch richtig krachen lassen kann. Am 25. November kann man sich davon überzeugen: Dann spielen Gossip in Basel.
Die amerikanische Band Gossip (Portland, Oregon) trat vor fünf Jahren noch in Clubs auf. Mittlerweile füllt das Trio um Frontfrau Beth Ditto Hallenstadien. So etwa die Basler St. Jakobshalle, wo die Band am 25. November auf ihrer Welttour einen Zwischenstopp einlegen wird. Die TagesWoche hat mit Nathan Howdeshell telefoniert, als er gerade in Kopenhagen gelandet ist. Wer die Band schon live erlebt hat weiss: Das wird wild, laut und dreckig.
Nathan, eine deutsche Zeitung hat Sie als «New Yorker Kunststudenten, der nebenbei in intellektuellen Untergrund Pornos mitspielt» beschrieben. Gefällt Ihnen diese Beschreibung?
Ich lebe auf einem Bauernhof in Arkansas, also muss ich dieser Beschreibung widersprechen. Auch wenn sie witzig ist.
Welche Rolle nehmen Sie zwischen Sängerin Beth Ditto und Schlagzeugerin Hannah Blilie ein?
Im Studio spiele ich alle Instrumente bis auf das Schlagzeug. Sprich: Gitarre, Bass, Synthesizer und Keyboards.
Sie sind also der musikalische «Mastermind» dieser Band?
Naja, ich mag das Wort «Mastermind» nicht, es klingt irgendwie unheimlich. Gossip ist ein Gemeinschaftsprojekt, Beth schreibt die Texte und singt, Hanna ist für das Schlagzeug zuständig. Wir bringen uns alle ein und arbeiten zusammen.
Gemäss Google steht Gossip aber eigentlich für Beth Ditto. Ist es nicht schwierig, in ihrem Schatten zu stehen?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin gerne im Hintergrund und möchte gar nicht, dass meine Person im Zentrum des medialen Interesses steht.
Gossip schafften den Durchbruch mit Songs voller roher Energie und Seele. Die neuen Sachen sind zunehmend poppiger. Diese Entwicklung kann man auch bedauern.
Da stimme ich Ihnen zu. Die neuen Songs klingen sauberer, sind sehr stark produziert. Ehrlich gesagt gefällt mir das auch weniger gut als unserer früheren Sachen. Bei unserem letztes Album haben wir mit einem Pop-Produzenten zusammengearbeitet. Kaum waren die Songs aufgenommen, hatte ich keinen Einfluss mehr auf das Endresultat. Er überarbeitete die Lieder stark und polierte sie. Das ist ja auch sein Job. Was er aber mit unseren Songs gemacht hat, ist nicht unbedingt das, was ich gut finde.
Heisst das, Ihnen kommt allmählich die Freude abhanden bei Gossip?
Nein. Denn live können wir die Songs so spielen wie wir wollen. Dann wirds richtig dreckig.
Sie mögen also Ihre Platten nicht, die Konzerte aber schon?
Ja, genau.
Aber ist das nicht frustrierend, wenn man die Plattenproduktion der eigenen Songs nicht mag?
Nein, denn ich höre mir unsere Platten eigentlich gar nie an. Ich mache sie und gehe weiter. Ich finde es komisch, die eigenen Songs anzuhören, das ist wie wenn man mit der eigenen Stimme auf dem Anrufbeantworter konfrontiert wird.
Vor ein paar Jahren haben Gossip noch in kleinen Clubs gespielt. Heute treten Sie vor Tausenden Leuten auf. Vermissen Sie die alten, intimen Zeiten?
Klar, das vermisse ich schon. Es ist ein grosser Unterschied ob man für 12 000 Leute spielt oder für 100. Aber ich spiele auch in anderen, kleineren Bands vor nur 40 Leuten, nur zum Spass. Das gibt mir den Ausgleich. Und was unserer Stadiongigs angeht, so wirft sich Beth heute noch viel mehr in die Menge als früher. Das klingt zwar komisch. Aber sie hat jetzt mehr Raum, sich auszutoben. Die Shows sind ziemlich wild, wir sind nicht abgehoben.
Hattet ihr Diskussionen in der Band, ob ihr überhaupt solche grossen Konzerte spielen sollt?
Die Konzerte wurden einfach immer grösser, das war ein Prozess. Aber in Amerika spielen wir oft vor nur 200 Leuten, dort sind wir immer noch die Underground-Band und treten in kleinen Clubs auf. Wir sind nur in Europa so gross.
Das heisst, nach Amerika zu gehen, bedeutet für Sie im doppelten Sinne, heimzukehren?
Ja, genau. Wir führen ein Doppelleben. So wie Hannah Montana.
Ein Doppelleben auch, weil Gossip nicht nur als Band von sich reden macht. Beth Ditto steht auf Titelseiten von Zeitschriften, sie gilt als neue Ikone der Homosexuellenbewegung, als Rollenmodell für füllige Frauen auch. Die musikalischen Qualitäten werden oft nur am Rande erwähnt. Stört Sie das?
Ich lese eigentlich nie, was in den Medien über uns steht. Deshalb weiss ich gar nicht, was andere Leute über uns denken. Ich finde, ein Künstler sollte sich nicht zu stark darum kümmern, was andere Leute von ihm halten. Beth wird sich immer äussern, sie ist eine Künstlerin, das ist ihre Aufgabe. Die Medien machen aus ihr, was sie wollen. Alles was wir tun können, ist unbeirrt unser Ding zu machen.
Ist die politische Rolle, die Gossip zugeschrieben wird, wichtig für Sie?
Nein, eigentlich nicht. ich beschäftige mich nicht allzu stark mit Politik. Aber ich denke die Zusammensetzung bei Gossip ist sehr spannend. Ein heterosexueller Mann der mit zwei radikalen Lesben zusammenspielt. Uns verbindet eine enge Freundschaft. Das macht uns und unsere Musik spannend.
- Gossip live: Sonntag, 25. November, St. Jakobshalle, Basel. 19.30 Uhr.
«No No No» vom ersten Album «Movement» (2003, damals noch mit einer anderen Schlagzeugerin und als «The Gossip»)
«Move In The Right Direction» vom neuesten Album «A Joyful Noise» (2012)