«Ich sehe mich in erster Linie als Dienstleister»

Ein aufgeweckter Spartengrenzgänger: Der zweite Basler Kulturförderpreis geht an einen Fotografen, Kameramann, Filmer, Cutter und Autor: Gregor Brändli.

Vieles unter einem Hut: Gregor Brändli (27), der Gewinner des Basler Kulturfoörderpreises, im Selbstporträt. (Bild: Gregor Brändli)

Ein aufgeweckter Spartengrenzgänger: Der zweite Basler Kulturförderpreis geht an einen Fotografen, Kameramann, Filmer, Cutter und Autor: Gregor Brändli.

Gregor Brändli ist Fotograf. Das ist der Beruf, den er erlernt hat. Brändli ist aber auch Filmer, er dreht Musikvideos und Werbeclips. Er schneidet Spielfilme und schreibt Texte für Produktionen der freien Gruppe «Glück», in denen er auch auf der Bühne steht. Und er ist frisch gekürter Träger des Basler Kulturförderpreises. Die Jury würdigt Brändli «als vielseitig talentierte und leidenschaftlich engagierte Künstlerpersönlichkeit», die «viele Basler Kulturschaffende mit qualitativ hochwertigen Fotografien, Filmen und Videoclips unterstützt, selber jedoch nie im Vordergrund erscheint».

Das mit dem Im-Vordergrund-Stehen ändert sich nun durch den Preis. Es ist ein Status, den er nach eigenen Angaben nicht sucht. «Ich habe zwar erst kürzlich gescherzt, dass ich noch nie einen Preis erhalten habe», sagt Brändli. «Als mir nun mitgeteilt wurde, dass ich den Kulturförderpreis erhalte, stutzte ich im ersten Moment etwas.» Natürlich habe er sich geehrt gefühlt, sich gleichzeitig aber gefragt, für was genau er den Preis bekomme: «Ich sehe mich in erster Linie als Handwerker oder als Dienstleister und nicht als Künstler, der sich in Wettbewerben um Preise bewirbt.»

Der Mann im Hintergrund

Gregor Brändli sitzt in der Küche seiner Parterrewohnung an der Kannenfeldstrasse. Auf seinem Kopf trägt er ein kariertes Käppi, sein Markenzeichen, das er kaum jemals ablegt – nicht einmal, wenn er auf der Bühne steht. Er zeigt sich im Gespräch zurückhaltend, wenn es um seine Person geht. Wenn er aber über seine Arbeit spricht, ist Leidenschaft zu spüren, gepaart mit einem guten Stück Understatement und einem Quäntchen Schalk: «Mit 14 ging ich in den Ferien arbeiten, um mir eine Kamera kaufen zu können», sagt er. «Seither verspüre ich das schwere Bedürfnis zu filmen.» Einblicke in das professionelle Filmschaffen erhielt der 1986 geborene Basler bei einem Praktikum in London. «Ich wohnte bei einem Filmregisseur, der mich gleich als Kameramann für einen Spielfilm einspannte», erzählt er.

Zur Wohnung gehört ein etwa 25 Quadratmeter grosser ehemalige Laden – sein Studio, wie er erklärt. «Dort entstand mein erstes Musikvideo für James Gruntz», sagt er. Im Rückblick gibt er sich selber erstaunt darüber, wie das in den engen Verhältnissen möglich war. Ganz anders war dies bei seinem letzten Musikvideo, das er für The bianca Story gedreht hat, die für den Song «Does Mani Matter?» Dieter Meier als Stargast mit an Bord geholt hatten.

Für die Aufnahmen mit Meier wurde ein grosses Studio mit allen technischen Schikanen gemietet. Für den Dreh stand aber Brändli nicht viel Zeit zur Verfügung. «Dieter Meier teilte mit, dass er eine Stunde Zeit habe, es musste also alles im ersten Durchgang klappen.»

Leidenschaft Fotografie

Etwas mehr Zeit nahm die Aufnahme für das Cover des Albums in Anspruch, für das die Band über eine Crowdfunding-Kampagne viel Geld gesammelt hat, um es gratis abgeben zu können. Das Werk trägt den Titel «Digger». Entsprechend liessen sich die Bandmitglieder als Bergleute abbilden – in einem echten brachliegenden Stollen im Oberbaselbiet und mit stilechter Beleuchtung – Gaslampen, die früher zur Standardausrüstung von Bergleuten und Höhlenforschern gehörten.

Musikvideos sind ein wichtiger Teil von Brändlis Arbeit – aktuell bereitet er sich auf einen Musikfilm mit dem international angesagten und von ihm bewunderten Post-Jazz-Trio Rusconi vor –, aber bei Weitem nicht alles. «Als Handwerk ist die Fotografie nach wie vor meine Leidenschaft», sagt er. Es sind dies zumeist Auftragsarbeiten für Museen, Galerien, Künstler, aber auch für Werbeagenturen oder Firmen. Darunter fällt die Aufnahme der vom Naturhistorischen Museum Basel neu erschaffenen Säbelzahnkatze – «ein Auftrag, der mir viel Freude bereitet hat», wie er betont.

Filmschnitt und Theater

Dass die Jury Brändli mit den Worten «interdisziplinär versierter visueller Künstler» auszeichnet, geschieht zu Recht. Denn der Ausgezeichnete ist nicht nur hinter der Kamera zu Hause. Vor einem Jahr kam sein Text «Honegger» – «ein sehr persönlicher Text, den ich mit 20 geschrieben habe» – zur Uraufführung. Die vier jungen Schauspieler, die sich zur freien Gruppe mit dem Namen «Glück» zusammenschlossen, nahmen Brändli gleich mit auf die Bühne. Der verdiente Erfolg der herrlich schrägen und hintersinnigen Produktion machte offensichtlich Lust auf mehr. Im Moment befindet sich «Glück» mit Brändli in den Vorbereitungen für ein neues Bühnenprojekt.

Ein weiteres Tätigkeitsfeld im kulturwirtschaftlichen und kulturellen Schaffen Brändlis ist der Filmschnitt. So zum Beispiel bei «Halb so wild», dem vielbeachteten Spielfilmerstling von Jeshua Dreyfus. In der Besprechung von Radio SRF wurde der Schnitt durch Daniel Gibel und eben Gregor Brändli, dem der Film eine «enorme Erzähldynamik» verdanke, speziell hervorgehoben. 

«Ich finanziere mich quer»

Die Arbeiten für Musikerinnen und Musiker, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, und seine kulturellen Projekte kann sich der Filmer, Fotograf, Theatermann und Cutter nur leisten, weil er auch noch kommerzielle Auftragsarbeiten annimmt: zum Beispiel Werbefilme, die er unter anderem von der Zürcher Agentur Cut-Up vermittelt bekommt. «Mit diesen Aufträgen kann ich mich selber querfinanzieren», sagt Brändli. Berührungsängste habe er dabei keine. Oder zumindest kaum: «Ich habe erst einmal erlebt, dass ich mich für eine Arbeit ziemlich verbiegen musste», sagt er, ohne aber Details verraten zu wollen. Berührungsängte könne er sich auch gar nicht leisten: «Ich bin ein Unternehmen, das Geld kostet», sagt er. Da reichen die 10’000 Franken, die er mit dem Kulturförderpreis erhält, nicht sehr weit.

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Die Verleihung des Kulturförderpreises findet am Montag, 9. Dezember 2013, um 18.30 Uhr in der Hinterhof-Bar statt. Für die Musik sorgt das Post-Jazz-Trio Rusconi. 

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