«Ich suche den Schlüsselmoment»

Samuel Leuenberger ist Basels Kurator der Stunde: Der Betreiber des Kunstraums Salts wurde vor zwei Wochen zum neuen Chef des Art Parcours ernannt. Im Interview erzählt er, wie er arbeitet und was für ihn heutige Kunst definiert.

Kurator in aller Munde: Samuel Leuenberger.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Samuel Leuenberger ist Basels Kurator der Stunde: Der Betreiber des Kunstraums Salts wurde vor zwei Wochen zum neuen Chef des Art Parcours ernannt. Im Interview erzählt er, wie er arbeitet, was heutige Kunst definiert und wieso es wichtig ist, mit Künstlern Neues zu entwickeln.

Auf dem Platz vor dem Haus mit der Anschrift Metzgerei Leuenberger steht ein mit Porträts und Stillleben blauweiss bemalter Riesenwürfel, im angrenzenden Garten ein von Hühnern umzingeltes Mega-Ei. Wir befinden uns im Kunstraum Salts in Birsfelden. Hier wirkt und wohnt Samuel Leuenberger – in der kleinen grossen Basler Kunstwelt wohl so etwas wie der Mann der Stunde. Sein Offspace liegt an der Birs und ist trotzdem ein Place to be.

Vor zwei Wochen berief ihn Art-Basel-Direktor Marc Spiegler auf den Posten des «Parcours»-Chefs. Grund genug, den sympathischen Tausendsassa in seinem Revier zu besuchen. In der Küche hinter dem grossen Ausstellungsraum treffe ich ihn zum Gespräch über gegenwärtige, künftige und vergangene Projekte.

Samuel Leuenberger, vor zwei Wochen wurde publik, dass Sie den nächsten Art Parcours kuratieren werden. Aufgeregt?

Ja, sicher. Das waren super News für mich, ich weiss es ja selbst erst seit Kurzem. Ich freue mich sehr auf diese spannende Herausforderung und bin jetzt vorerst mal ausgebucht (lacht).

Als «Parcours»-Kurator haben Sie die Aufgabe, sich ortsspezifisch mit Vergangenheit und Gegenwart zu beschäftigen. Gemäss Kritikern hat Ihre Vorgängerin Florence Derieux dieses Versprechen nicht immer eingelöst. Dieses Jahr seien die Skulpturen rund um den Münsterhügel stimmig gewesen, 2014 aber hätten sie «mit Basel im Allgemeinen und mit dem Ort im Speziellen wenig bis nichts zu tun gehabt». Was sagt Ihnen derartige Kritik? 

Sie ist mir sehr wichtig. Und was da geschrieben wurde, ist sehr relevant: Das Werk muss dort stehen, wo es Sinn macht. Das ist die ultimative Herausforderung. Ich kenne das vom Salts: Je ortsspezifischer ein Werk ist, desto mehr entsteht der Dialog mit der Örtlichkeit. Ich hoffe, dass das Münsterareal wieder gesichert werden kann für die nächste Ausgabe. Diese Umgebung ist einfach sehr, sehr inspirierend. Während des diesjährigen Parcours steckte ich zwar noch im Bewerbungsverfahren, schaute mir die Räume aber schon mit anderen Augen an. Sie zu kennen, ändert alles. Du weisst, was funktioniert und was nicht.

Und damit hatten Sie bisher ordentlich Erfolg. Was ist Ihr Rat an junge Kuratoren?

Es klingt plakativ, aber mach immer das, was dir am besten gefällt und hör nicht damit auf. Das hab ich vor allem mit Salts gemerkt. Es gab immer wieder Wechsel: Wer mitgemacht hat oder wie wir das alles finanzierten. Aber wir haben es immer irgendwie durchgezogen. Das Schönste – in Anführungs- und Schlusszeichen – ist ja, dass es keinen Zeithorizont gibt für den Erfolg. Du kannst ihn mit 50 haben, mit 60, 70, 80. Und du kannst fast alles machen, wenn du es mit deiner Leidenschaft verbindest. Trotzdem solltest du dich konzentrieren. Mach nicht zu viele verschiedene Dinge.

Das sagt der Richtige. Sie haben fast überall gearbeitet: in der Galerie, im Auktionshaus, fürs Festival, in der Kunsthalle, als Unternehmensberater, im Offspace.

(lacht) Stimmt, ich habe einiges gemacht. Es gibt viele Ausstellungsmacher, die immer in ihrem Segment bleiben. Die viel intensiver etwas ganz Bestimmtes aufbauen. Bei mir war das anders. Ich habe viele verschiedene Einblicke erhalten. Dabei traf ich übrigens immer die gleichen Leute. Ob aus der Perspektive der Kunsthalle oder des Auktionshauses – du triffst immer die gleichen Kunstinteressierten und siehst, wie sich die Kunst aus verschiedenen Perspektiven definiert. 


Der Blick hinter die Fassade.

Genau. Du blickst hinter die Fassade und siehst die verschiedenen Realitäten. Das sind alles Realitäten. Es ist nicht die eine schlimmer oder erhabener als die andere. Es sind einfach Realitäten, in denen wir uns bewegen. Sie sind es, die die heutige Kunst definieren.

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