Im Rhythmus der Stadt

Wie klingt eine Stadt? Erstaunlich vielfältig. Das erfährt, wer die Ausstellung «Urban Sounds» im Haus für elektronische Künste besucht.

(Bild: zVg / ©the artist)

Wie klingt eine Stadt? Erstaunlich vielfältig. Das erfährt, wer die Ausstellung «Urban Sounds» im Haus für elektronische Künste besucht.

Vor dem fast fertig umgebauten Zollfreilager auf dem Dreispitz wird die Treppe geputzt. An der Längsseite des Baus an der Oslostrasse sitzen fünf Bauarbeiter, auf den Knien ihr Mittagessen. Ihnen gegenüber ist der Kiesboden der neuen Veloabstellanlage von kleinen Pfützen übersät. Und direkt vor dem Haus für elektronische Künste (HeK) schneidet ein Mann unter lautem Getöse die geteerte Strasse auf. Über den Ohren trägt er einen Gehörschutz, der fast so aussieht wie all die Kopfhörer, die man hinter den Türen des HeK an Haken baumeln sieht.

So viele Kopfhörer waren es wohl noch nie in diesem Ausstellungshaus für Neue Medien – wenn auch die hier gezeigte Kunst oftmals klang-affin ist. Doch was wäre eine Ausstellung mit dem Titel «Urban Sounds» ohne Töne?

Wie klingt eine Stadt, hat sich Gastkuratorin Julia Gerlach gefragt. Wer vom Marktplatz den Weg zum HeK unter die Füsse genommen hat, der bekommt eine Ahnung: Trams, Autos, Velos, Stimmen, Musik, die aus Läden schallt, Lautsprecherdurchsagen, Kindergeschrei, Schrittgeräusche, Metallräder, die auf Schienen quietschen, Lastwagenmotoren, Ampelpiepsen. Und eben Baustellengeräusche. Die volle Ladung. So klingt Basel.

Doch wie klingt Mumbai? Wie Lagos? «Urban Sounds» zeigt auf, dass jede Stadt ihr eigenes Klangbild hat. Denn es sind gesellschaftliche Handlungen, die es prägen. So unterschiedlich diese auf den verschiedenen Kontinenten ausgeprägt sind, so variantenreich zeigt sich der «Sound». Seit es Tonaufnahmen gibt, sind Künstler fasziniert davon, die Wirklichkeit von Städten einzufangen. Doch schon länger begnügen sie sich nicht mehr damit, das Mikrofon auf die Strasse zu richten, sondern sie richten ihren Fokus auf neue Aspekte von Urbanität, die auch den Umgang der Menschen mit der Stadt einbeziehen. Stattdessen eignen sie sich die urbane Wirklichkeit künstlerisch an.

Tanzende Krane und gemixte Töne

Die Ausstellung im HeK beginnt mit historischen Werken. Das wohl passendste hier gleich hinter dem Eingang, nachdem man die kreischende Asphaltsäge hinter sich gelassen hat, ist die Videoarbeit von Robert Cohen und Bruno Spoerri: Hier tanzen Bagger und Krane zu einem beklemmenden Soundtrack des Altmeisters Spoerri. Es scheint, als hätten die Maschinen sich vermenschlicht. Dreht man sich um, so sieht man an die Wand projeziert die Arbeit von Angus Carlyle und Rupert Cox: Sie porträtieren die letzte Bauernfamilie im japanischen Gebiet Sanrizuka, die am Rande einer Landebahn des Narita International Airports ihr Gemüse putzt – inmitten von startenden und landenden Flugzeugen.

Nicht jede Arbeit hier im HeK aber hat einen bildnerischen Aspekt. Manches funktioniert auch nur über Ton, zum Beispiel die Klangaufnahmen von Andres Bosshard, der uns in die vielschichtigen Klangdimensionen der Zürcher Stadträume entführt. Ganz anders wiederum funktioniert eine andere, historische Aufnahme: John Cages «Williams Mix» von 1952 ist Cages erste Komposition für Tonband, in der er die unterschiedlichsten Töne zu einer komplexen Klangmontage zusammenfügt.

Urbane Klänge müssen ganz offensichtlich nicht an urbane Bilder geknüpft sein. Und Urbanität hört nicht an der Stadtgrenze auf. Sie bedeutet auch Interaktion, und auf Interaktion setzt auch das HeK mit dieser Ausstellung. An vier Wochenenden während der Ausstellungsdauer bietet es ein reichhaltiges Programm in Form von Vorträgen, Performances und Konzerten. Und weil der ehemalige Veranstaltungsraum, der Raum D, seit Anfang September umgebaut wird, finden diese direkt im Haus für elektronische Künste statt.

Infos
Ausstellung «Urban Sounds», 21.9. bis 3.11. ACHTUNG: Das Haus für elektronische Künste hat wegen des Baustellenlärms neue Öffnungszeiten: Mi bis Fr 17–20, Sa/So 13–20 Uhr.
Veranstaltungswochenenden: 20.–22.9. Urbanisieren. 5.–6.10. Kombinieren. 18.–20.10. Mechanisieren. 2.–3.11. Globalisieren.

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