In der Hitze der Zwischenwelt

Die szenografisch-dramatische Installation «Warten auf die Barbaren» von Dominic Huber / Blendwerk in der Kaserne Basel entführt die Besucher auf einen aussergewöhnlichen und tropisch heissen Stationenweg im Niemandsland zwischen Realität und Fiktion.

Den Fragen des Zollbeamten ausgesetzt: «Warten auf die Barbaren» in der Kaserne Basel (Bild: David Schlatter)

Die szenografisch-dramatische Installation «Warten auf die Barbaren» von Dominic Huber / Blendwerk in der Kaserne Basel entführt die Besucher auf einen aussergewöhnlichen und tropisch heissen Stationenweg im Niemandsland zwischen Realität und Fiktion.

Heiss ist es. Sehr heiss sogar auf dem Stationenweg auf der Grenzlinie zwischen der Realität des eigenen Alltags und einem fernen Land im Nirgend- oder Irgendwo. Soviel sei verraten, damit die Besucherinnen und Besucher sich in besserer – das heisst leichterer Kleidung – auf den dramatisch-szenografischen Grenzweg führen lassen als der Berichterstatter, der schon bald mit argen Hitzewallungen zu kämpfen hatte.

Ansonsten ist es nicht ganz einfach, über die «begehbare Installation», wie sich die Produktion im Selbstbeschrieb nennt, zu schreiben, ohne zu viel preiszugeben und damit die Überraschungsmomente des Abends zunichte zu machen. Und von diesen Überraschungsmomenten, von unerwarteten Begegnungen sowie reizvollen, aber auch merkwürdigen Momenten, lebt das Projekt «Warten auf die Barbaren», das den Titel und die Grundanlage vom gleichnamigen Roman von J. M. Coetze übernommen hat.

Als Besucher alleine unterwegs

Wenn hier bereits von einer «begehbaren Installation» die Rede war, dann dürfte klar sein, dass es sich nicht um einen Theaterabend nach gängigem Muster handelt, mit Bühne auf der einen und Zuschauerraum auf der anderen Seite. Dominic Huber, von Haus aus Bühnenbildner, hat im Rosstall der Kaserne einen Stationenweg errichtet, den der Zuschauer oder die Zuschauerin einzeln durchläuft.

Aber durchlaufen ist eigentlich der falsche Begriff, durchleben passt besser, denn aufs reine Beobachten oder Betrachten der Szenen kann man sich nicht beschränken. Als Besucherin oder Besucher wird man quasi zur Hauptperson der Geschichte, die eben nicht im herkömmlichen Sinne erzählt wird, sondern in die man mitten hinein geführt wird.

Abgeschottete Zwischenwelt

Das Ganze beginnt, dies sei hier nun auch noch verraten, im schäbigen Befragungszimmer einer Zollstation. Der Hitze und der realistisch nachgebauten Umgebung nach beurteilt, muss es sich wohl um eine Grenzstation in einer ehemaligen Kolonie weit unten im Süden handeln. Ein Zollbeamter fragt, wie es Zollbeamte eben tun, nach den Personalien, nach dem Grund der Reise etc. Erst wenn all diese Fragen beantwortet und im Computer protokolliert sind, geht es weiter…

… weiter in eine gegen aussen abgeschottete Zwischenwelt. Nur das Gebell von Hunden oder das Rattern eines Helikopters verraten, dass eine Welt ausserhalb der verschiedenen Räumlichkeiten, durch die man sich bewegt, existieren muss. Aber dieses Ziel, sofern man diese lediglich akustisch wahrnehmbare Aussenwelt überhaupt als Ziel wählt, erreicht man nicht. Man bleibt wie der Landvermesser in Kafkas Roman «Das Schloss» als Spielball der äusseren Umstände auf dem Weg dorthin stecken.

Überraschende Begegnungen

Dominic Huber und sein Ensemble haben eine wunderbare und liebevoll detailreiche Szenerie mit verschiedenen, meist etwas beengenden Räumlichkeiten errichtet, die an hyperrealistische Rauminstallationen aus der bildenden Kunst erinnern. Diese Umgebung steckt den Rahmen ab, in dem sich jeder Besucher, jede Besucherin letztlich die eigene Grenzraum-Geschichte zusammenspinnen kann. Ist es das Erlebnis eines Abenteuerreisenden, der vom bequemen Weg abgekommen ist? Handelt es sich um das Schicksal eines Flüchtlings beim Versuch, in einem sehr fremden Land Asyl zu bekommen? Oder ist man gar auf einer Art Jenseitserfahrungstrip in den Grenzbereich zwischen Leben und Tod gelangt? Oder ist es vielleicht eine ganz andere Geschichte? Egal was und wie, eine spannende Erfahrung dürfte, wenn man sich darauf einlässt, garantiert sein.

«Warten auf die Barbaren»
Eine begehbare Installation von Dominic Huber / Blendwerk nach dem gleichnamigen Roman von J.M. Coetze
Konzeption, Regie, Szenografie: Dominic Huber, Co-Regie: Lara Körte, Sounddesign: Knut Jensen, Lichtdesign: Christa Wenger, Dramaturgie: Juliane Männel
Mit: Ana Berkenhoff, Annina Jendreyko, Peter Zumstein, Lara Körte, Damian Regbetz
Kaserne Basel
Die nächsten Vorstellungen: 6. bis 8. Juni, 17.00 und 20.30 Uhr (Einlass alle 10 Minuten)

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