Das Kunsthaus Baselland zeigt mit der ERNTE zum letzten Mal die Ankäufe des Kunstkredits Baselland, bevor diese eingestellt werden. Was bedeutet diese letzte Ausstellung für das Kunsthaus und die Künstler? Kunsthausdirektorin Ines Goldbach gibt Antwort.
Frau Goldbach, im Kunsthaus Baselland findet diese Woche die sechste und letzte ERNTE statt. Wie geht es Ihnen damit?
Ich bin natürlich betroffen. Die ERNTE war ein wichtiges Format, nicht nur als Ausstellung, sondern auch als Förderungsmodell. Die Ankäufe aus dem Kunstkredit Baselland ermöglichten regionalen Künstlern und Künstlerinnen jedes Jahr eine Plattform und eine ernstzunehmende Arbeitsgrundlage. Dass dieses Modell nun so nicht mehr vorhanden sein wird, ist eine grosse Zäsur.
Was für Konsequenzen hat das Verschwinden der ERNTE fürs Kunsthaus Baselland – finanziell und programmatisch?
Finanziell tragen wir keine Konsequenzen. Im Gegenteil: kulturelles.bl ist als Gast hier, wobei wir die Infrastruktur teilweise mit einbringen. Bei der ERNTE tragen wir einen kleinen Teil der Kosten also selbst. Und auch programmatisch gibt es keine grossen Einschnitte, die Ausstellungen dauern dann einfach etwas länger. Viel wichtiger als Budget und Programm ist aber das, was vorher geschieht: Wenn es die Künstler und Künstlerinnen unmittelbar trifft, dann trifft es auch uns unmittelbar.
Wie ist das zu verstehen?
Den Kunstschaffenden wird eine Grundlage entzogen. Wenn sie keine oder sehr viel weniger Förderung bekommen, haben sie auch nicht die Möglichkeit, entsprechend zu produzieren. Nehmen wir einen Künstler wie Thomas Hauri, den wir vor wenigen Wochen hier auf vielen hundert Quadratmetern mit seinem Werk ausgestellt haben. Wenn er beispielsweise keine beziehungsweise nie eine Förderung erhalten hätte und wir ihn für eine Einzelausstellung anfragen, dann sagt er vielleicht, liebend gerne, aber ich habe gerade mal fünf Werke, die ich ausstellen kann. Eine solche Kürzung macht es unter Umständen also schwierig, überhaupt ein gutes und weitreichendes Programm mit lokalen Kunstschaffenden aufzustellen.
«Eine solche Kürzung macht es schwierig, überhaupt ein gutes lokales Programm aufzustellen.»
Wie haben die Künstler und Künstlerinnen auf das Wegfallen der ERNTE reagiert? Haben Sie als Kuratorin eine Grundstimmung rausspüren können?
Die Enttäuschung ist schon sehr gross, das geht an keinem spurlos vorbei. Für viele war die ERNTE ein tolles und zugleich wichtiges Gefäss. Nicht nur wegen der Ankäufe, das ist ja nur ein Teil davon. Oftmals ergaben sich dadurch auch spannende Kontakte und Atelierbesuche. Mit der ERNTE fällt diese Aufmerksamkeit und dieser Austausch zu einem grossen Teil weg.
«Die Enttäuschung ist schon gross»: Kuratorin Ines Goldbach. (Bild: Nils Fisch)
Wie geht es jetzt weiter?
Es ist ganz wichtig, dass man jetzt nicht den Kopf in den Sand steckt. Es soll nicht heissen, es ist vorbei. Punkt. Es soll vielmehr heissen: Punkt – und jetzt wie weiter? Es müssen vielleicht auch einmal mehr grundsätzliche Fragen und natürlich auch Antworten auf den Tisch: Wieso braucht es Kultur? Welche neuen Formate sind möglich? Wer nimmt welche Rolle ein? Solche Fragen müssen vermehrt gemeinsam, auch mit der Regierung, diskutiert werden.
Was bedeutet das konkret? Sind bereits Formate angedacht?
Ich für meinen Teil muss mich einmal mehr mit der Frage beschäftigen, wie ich die Notwendigkeit von Kultur vermittle. Kultur sollte uns alle betreffen, und zwar nicht nur als Beschäftigung an einem Samstagnachmittag, sondern als etwas Essenzielles, etwas, was den Grundtenor unserer Gesellschaft ausmacht – eine Gesellschaft, die starke, kreative und in Krisenzeiten agile Individuen ausbildet. Genau da kann die Kunst und Kultur mithelfen. Es müssen aber vielleicht neue Vermittlungsformen angedacht werden. Während der Regionale etwa haben wir beispielsweise für einige Gruppen das Kunsthaus für Sitzungen freigegeben – Gruppen, die inmitten der Ausstellung getagt haben, sich also über Stunden in der Kunst aufhielten. In Kürze werden wir ein Vermittlungsprogramm starten, mit dem wir Kunstwerke aus der eigenen Kunsthaus-Sammlung für einen längeren Zeitraum in Haushalte, sozusagen in das eigene Wohnzimmer bringen. Das ist vielleicht genauso eine Möglichkeit der Vermittlung. So kann Kunst ja auch wirken: indem man sie in den Lebens- und Arbeitsraum integriert.
«Kultur sollte uns nicht nur als Beschäftigung an einem Samstagnachmittag betreffen.»
Bei der ERNTE ist das auch der Fall: Viele der ausgestellten Werke kommen nach der Ausstellung in Büroräumlichkeiten.
Genau. Rund 70 Prozent der Sammlung ist installiert. Diese Menge an direkt erlebbarer, präsenter Kunst kann kaum ein Museum bieten. Stellen Sie sich das vor: Sie sind am Telefon oder in einer Sitzung und haben eine wichtige Entscheidung zu fällen – und da wirkt plötzlich etwas in ihrer Umgebung auf Sie positiv ein – wie ein erfrischender, stärkender Spaziergang durch die Natur.
Nun wird diese Kunst ein letztes Mal bei Ihnen erlebbar. Worauf haben Sie bei dieser letzten ERNTE besonders geachtet?
Mir war wichtig, dass alles ausgestellt wird: Man sieht hier also wirklich alle Werke, die im letzten Jahr angekauft wurden, auch die Ankäufe für die Videosammlung dotMov.bl. Und zwar so, dass man nicht müde wird, sondern möglichst wach bleibt, ins Gespräch kommt und sich austauscht. Mir war wichtig, dass keine Schockstarre vermittelt wird, sondern eine vielfältige Kulturlandschaft, die trotz schwieriger Umstände wach und kreativ bleibt – und genau in dieser Form auch in das Morgen geht.
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ERNTE 2016 & Solo-Position: Esther Ernst, Kunsthaus Baselland, 18. März bis 1. Mai.