Am ersten Abend von BScene 13 beschränkten wir uns auf die Konzerte im Parterre und der Kaserne. Die Distanzen mochten kurz sein, stilistisch aber lagen Welten dazwischen: Hier Basler Singer-Songwriterinnen, dort Laufentaler Garagenrock. Und dazwischen eine Fricktaler Band, die mal eben den Mundartrock neu erfindet.
Die Schriftweise macht es klar: «BScene» steht für die Basler Szene. 221 Musiker in 60 Bands präsentieren sich an zwei Abenden auf neun Bühnen. Ein Ticket gewährt also freie Wahl, wen man wo auf der Bühne erleben möchte. Doch wie sich entscheiden? Immer diese Qual der Wahl!
BScene bietet den Konzertbesuchern einen tollen Service, der die Routenplanung erleichtert: Soundposter heisst die interaktive Karte, die Orientierungshilfe und Höreindrücke bietet und zur Entscheidungsfindung beitragen kann, welche Route man unter die Beine nimmt. So hat sich unsereiner zum Auftakt für Maya Turbo entschieden. Sie eröffnet den ersten Abend im Parterre. Die Singer-Songwriterin gewann 2010 die RFV-Democlinic und hat seither eine EP veröffentlicht, für die sie sechs Gastmusiker hinzuzog. An BScene tritt sie in Triobesetzung auf, mit einem Gitarristen und einer Kontrabassistin an ihrer Seite.
Ruhiger Auftakt im Parterre
Ihr Set enthält viele ruhige Lieder, zu viele, nach unserem Geschmack. Maya Turbos Entscheid, ausgerechnet an einem Festival (wo das Publikum allgemein den Scheiaweia-Modus aktiviert) auf die Rockbesetzung der Platte zu verzichten, ist mutig. Aber vielleicht auch nicht der richtige. Ihre Stimme ist zwar bemerkenswert, ihr Gesang intonationssicher und ihre Texte persönlich (und auch ergreifend wie etwa «Stories», worin sie die dunklen Kapitel in Familiengeschichten beleuchtet). Auf Dauer wirkt ihr Konzert aber ein wenig zähflüssig, man hätte sich mehr Variation gewünscht (so wie in «Always», wo sie ein Megafon zückt und das lieblich-gefällige Klangmuster aufbricht). Gemäss ihrer Website fand der letzte Gig im September 2012 statt, gut denkbar, dass das Trio aufgrund der langen Pause ein bisschen verschupft auf dieser Bühne wirkt und sich gelegentlich kleinere Unsicherheiten bemerkbar machen (ein unpräziser Schellenkranz da, eine ungewollte Reibung im Chorgesang dort.
Dass nachdenkliche Songs von einer Songwriterin eindringlicher vermittelt werden können, erleben wir einige Stunden später gleichenorts beim Auftritt von Lena Fennell. Sie arbeitet derzeit an ihrem zweiten Album, wirkt auch auf der Bühne erfahrener und reisst mit ihrer Präsenz und Ausdruckskraft das Publikum mit. Zunächst in fragilen Liedern, zu denen Fennell die akustische Gitarre spielt und wie Maya Turbo mit ihrer prägnanten Stimme spielt. Nach leisem Einstieg spannt sie ein Crescendo über das gesamte Set, stockt die Besetzung auf und entlädt die Energie schliesslich im Rock. Eine stimmige Konzertdramaturgie, im Vergleich zu Maya Turbo, die ihr Potenzial nicht ganz hat ausschöpfen können. Noch nicht.
Das Fricktal lässt aufhorchen
BScene trägt Basel-Stadt im Namen, was sich auf den Austragungsort bezieht, aber nicht heisst, dass die Musikszene an den Stadtgrenzen endet. Im Gegenteil: Viel Gutes entstand in den letzten Jahren auf dem Land. Denken wir nur an die Laufentaler Szene mit ihrer Vorliebe für kraftvollen Gitarren-Rock – allen voran Navel, die nach Mitternacht in der gut gefüllten Kasernen-Reithalle die Verstärker aufdrehen und Gas geben. Sänger Jari Antti hat die Band neu besetzt und bringt das kürzlich erschienene Album «Loverboy» im kraftvollen Garagenrock auf die Bühne. Allerdings verliert sich Navels satter Sound in der Weite der Reithalle – was weniger dem Mix geschuldet ist sondern der Hallenakustik. Man hätte Navel daher lieber in einem kleineren Club gehört, der Sound wäre stärker in die Magengrube gefahren und der Austausch mit dem Publikum direkter, schweisstreibender; in der Vergangenheit hat das Jari Antti schon mehrfach bewiesen.
Vielleicht wäre es eine Überlegung wert, an BScene mal auf die grosse Kasernen-Reithalle als Spielstätte zu verzichten (das Volkshaus schluckt besser) – oder weitere Akustikmassnahmen vorzunehmen, falls dies überhaupt möglich ist. Freunde des guten Tons würden es auf jeden Fall begrüssen.
Im kleineren Rossstall klingen die Konzerte jeweils besser, transparenter, knackiger. Und in einem Fall gar sensationell: Alt F4 bringen einen hervorragenden, perfekt abgestimmten und abgemischten Auftritt auf die kleinere Kasernenbühne. Der perfekt arrangierte Titelsong ihres Albums «Superdreckskescht» (was offenbar der Name einer Fricktaler Öko-Firma ist) betört mit lasziv-langsamem Groove, Instrumentalteilen und dem repetitiven Gesang, der englisch anmutet. So wie in diesem Lied hier:
Klingt urban und international, man würde die Band in einer Metropole wie New York verorten – wäre der Text nicht in Schweizer Mundart, was man aufgrund der springenden Gesangsmelodie leicht überhören könnte. «Äne a Aarau» heisst dieses Lied von Alt F4, nicht ihr einziges auf sensationellem Niveau. Sie bieten auf der Bühne den innovativsten Dialektsound der Schweiz, entwickeln Mundartrock fantastisch weiter. Mundartspacerock. Mit perlenden Fender Rhodes-Klängen, gut abgestimmten Grooves, ausufernden Gitarrensoli (ja, das darf man sich noch leisten), wobei hörbar Einflüsse alter Meister wie Pink Floyd reinschwingen und mit dem durchdringenden Leadgesang des Schlagzeugers Lucien Montandon, sowie den Samples und Loops ein Bogen in die Gegenwart geschlagen wird. Wie MGMT. Einfach aus Möhlin statt New York.
Mit ihrem herausragenden Konzert bestätigen Alt F4 den Eindruck von aussen, dass rheinaufwärts eine kleine, aber bemerkenswert starke Bandszene entstanden ist. Setzt man das Laufental mit dreckigem Gitarrenrock gleich, so steht das Fricktal für experimentelleren, keyboardlastigeren Sound. Davon kann man sich auch am zweiten Festivalabend heute Samstag überzeugen, spielen doch mit Das Pferd und Zeno zwei weitere auffällige Gruppen aus dem Fricktal.
- BScene, zweiter Abend: Samstag, 16. März. Hier gehts zum Bericht.