Jakob Christoph Miville: Zeugnisse der Ergriffenheit

Seine Gemälde und Zeichnungen sind Zeugnisse der Ergriffenheit durch die Wucht Natur: In einer umfassenden Einzelausstellung präsentiert das Kunstmuseum Basel das Werk des Basler Landschaftsmalers Jakob Christoph Miville (1786-1836).

Mächtig: «Italienische Landschaft» um 1822 (Bild: Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler)

Seine Gemälde und Zeichnungen sind Zeugnisse der Ergriffenheit durch die Wucht Natur: In einer umfassenden Einzelausstellung präsentiert das Kunstmuseum Basel das Werk des Basler Landschaftsmalers Jakob Christoph Miville (1786-1836).

Jakob Christoph Miville? Beim Namen Miville denken viele Baslerinnen und Basler vielleicht an einen Alt-Ständerat und Kämpfer für das gute Baseldytsch. Aber an einen Maler? Einen, der, wie das Kunstmuseum schreibt, «die frühromantische Landschaftsmalerei der Schweiz wesentlich geprägt» hat? Eher nicht. Und das obwohl das Kunstmuseum Basel und das dazugehörige Kupferstichkabinett eine vor allem quantitativ, aber auch qualitativ bedeutende Sammlung an Werken des Künstlers besitzt (die es aber zumeist tief in den Depots schlummern liess).

Aber sei’s drum. Jetzt bietet sich die Gelegenheit, den Basler Landschaftsmaler kennenzulernen, der nicht nur, wie vieler seiner Kollegen, die Umgebung von Rom und die Schweizer Alpen erkundete (und auf Leinwand bannte), sondern auch mehrere Jahre in Russland verbrachte. Es ist eine lohnenswerte Gelegenheit. Die Ausstellung zeigt das Werk eines Künstlers, der geprägt von der Italien-Sehnsucht und inspiriert vom lichten Zauber weiter nordischer Landschaften zu einer eigenständigen romantischen Auffassung der Landschaft fand. Und sie präsentiert einen brillanten Techniker, der selbst bei eilig dahingeworfenen Ölskizzen durch eine hohe Präzision im Pinselstrich und Detailtreue zu beeindrucken vermag.

Zwei monumentale Landschaften

Blickfang der Ausstellung, die mit 229 Gemälden, Ölskizzen, Aquarellen und Zeichnungen ausgesprochen reichhaltig bestückt ist, sind zwei grossformatige Spätwerke, in denen Miville, von seinen Reisen zurückgekehrt, seine Auffassung von Landschaften quasi resumierte. In beiden Gemälden, der «Italienischen Landschaft» (um 1822) und dem «Schwingfest auf der Balisalp» (1822-1824) sorgen Abendsonnen für warme Farbtöne und markante Kontraste zwischen Licht und Schatten. Das sind ideale Verhältnisse, die Idealbilder der italienischen Hügellandschaft auf der einen und der schweizerischen Alpenszenerie auf der anderen Seite einzufangen beziehungsweise wiederzugeben.

Es sind zugleich Landschaften, die von viel Leben beseelt sind. An allen Ecken und Enden sind Menschen und Tiere zu entdecken: betende Frauen, spielende Kinder, ruhende Hirten, ein Reisender auf Wanderschaft auf dem Italienbild, kämpfende Schwinger, Alphornbläser, tanzende Menschen in Trachten und aufmerksame Zuschauer beim «Schwingfest auf der Balisalp». Menschen finden sich auf beinahe allen seiner Landschaften, aber stets ist es die Wucht der Natur, die inhaltlich im Vordergrund steht und die Gesamtszenerie dominiert.

Alpen-, Felsen- und Stürmemaler

Ganz und gar Maler der Romantik, zeigt Miville die Landschaften in einer atmosphärischen Überhöhung. Obschon Berge, Bäume, Wiesen, Flüsse realistisch wiedergegeben werden, geht es ihm nicht um Objektivität oder topografische Exaktheit. Seine Gemälde sind Zeugnisse der Ergriffenheit über die Wucht der Natur. In seinen Gemälden werden die Berge und Täler zu Gefühlslandschaften, während die Skizzen, die in der Natur entstanden sind, die Zeichnungen und Aquarelle zum Teil durch ihre beschwingten Linienführungen und kühne Abstraktion bestechen.

Miville sah seine Berufung darin, «Berg- und Alpen-, Felsen-, Wolken, Eis- und Stürmemaler» zu werden, wie der Künstler im umfangreichen Katalog zur Ausstellung zitiert wird, der die umfangreichen Forschungsarbeit der Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts in Olten zusammenfasst. Die Oltner Stiftung verwaltet den Nachlass Mivilles. Die Ausstellung zeigt mehr als den Alpenmaler, sie lässt den Weg nachvollziehen, der zum Maler der «Magnetberge» führte.

Rom und Russland

Das beginnt bei der Reise nach Rom, wo er sich von den Deutschrömern, wie man die deutsche Künstlerkolonie im Sehnsuchtort der Maler aus dem Norden nennt, inspirieren liess. Später kam der Aufenthalt in Russland, wo er sich nicht richtig wohlfühlte, was sich letztlich auch in seinen Werken niederschlägt, die zunächst weniger inspiriert wirken, als die aus Italien und der Schweiz. Erst ein Ausflug in die Krim, wo er der weiten Ebene entfliehen kann und wieder auf Berge trifft, läuft er zur Hochform auf. Zeugnis dafür ist in der Ausstellung unter anderem eine Gruppe von acht Ölgemälden, allesamt Museumsleihgaben aus St. Petersburg.

Von den weiten Ebenen Russlands nimmt Miville das Spiel mit dem besonderen Licht mit, das dann zurück in der Schweiz auch in seinen Berglandschaften Niederschlag findet. Das umfangreiche Studienmaterial, das er nach Basel zurückbrachte, ermöglicht dem zu Lebzeiten nicht übermässig erfolgreichen Maler zudem einen zwischenzeitlichen finanziellen Erfolg. So konnte er um 1819 eine 40-teilige Gemäldeserie an die Gräfin Bobrinski in St. Petersburg verkaufen – ein Geschäft, das ihm einen weiteren Romaufenthalt ermöglichte.

Und ein bisschen Basel

Und Basel? Die Heimatstadt kommt im Werk Mivilles nur am Rande vor. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Denn in seinen Werken, die er Landschaften aus seiner Heimatregion widmete, taucht die Stadt mit den Münstertürmen und den Stadttoren nur ganz klein und weit weg im Hintergrund auf. So zum Beispiel in den beiden schönen Gemälden mit Blicken vom Muttenzer Steinbruch oder vom Wiesental aus auf die Stadt.

Jakob Christoph Miville konnte sich zu seinen Lebzeiten und auch später keinen Platz im internationalen Malerolymp sichern, wie etwas später nach ihm zum Beispiel Arnold Böcklin. Er schaffte es auch nicht wirklich, sich im Kreis der in Basel verehrten Künstler festzusetzen – vielleicht war er dafür zu wenig verbunden mit seiner Heimatstadt. Das Kunstmuseum Basel zeigte sich zum Beispiel nicht an der Übernahme des Nachlasses von Miville interessiert, der 1992 somit an die die Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts in Olten ging.

Umso verdienstvoller ist nun die Tatsache zu werten, dass die Oltner Stiftung nun das Schaffen des Basler Malers wissenschaftlich aufgearbeitet hat und dass das Kunstmuseum Basel als Frucht dieser Arbeit das Werk Mivilles präsentiert. Es lohnt sich, im Museum und allenfalls mit dem ausführlichen Katalog auf Entdeckungsreise zu einem Basler Maler zu gehen, der ein durchaus beachtenswertes Werk hinterliess.

«Jakob Christoph Miville (1786-1836) – Ein Basler Landschaftsmaler zwischen Rom und St. Petersburg»
Kunstmuseum Basel
bis 16.02.2014
Zur Ausstellung erschien ein ausführlicher Katalog mit den Resultaten der langjährigen Forschung von Katja Herlach und Hans Christoph Ackermann im Auftrag der Oltner Stiftung für Kunst des 19. Jahrhunderts.

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