Jari Antti: «Auch in Berlin ist es nicht einfach, die passenden Musiker zu finden»

Vor einem Jahr spielten Navel in der Kaschemme ihr Abschiedskonzert. Nun kehrt Bandleader Jari Antti als Bassist der Band Chicos de Nazca an den gleichen Ort zurück. Ein Gespräch über Berlin, Gewalt und Partynächte.

Jari Antti vor zwei Jahren in seinem Atelier in Basel. Mittlerweile hat er sich in Berlin eingerichtet.

(Bild: Nils Fisch)

Vor einem Jahr spielten Navel in der Kaschemme überraschend ihr Abschiedskonzert. Nun kehrt Bandleader Jari Antti als Bassist der Band Chicos de Nazca an den gleichen Ort zurück. Ein Gespräch über Berlin, Gewalt und Partynächte.

Nach 13 Jahren Bandgeschichte, vier Alben und Hunderten Konzerten auf der halben Welt hatte Jari Antti, Gründer und Kopf von Navel, genug von Besetzungswechseln, neuen Hoffnungen und Altlasten. Er suchte sein Glück wie viele andere Kreative in Berlin. Nun kommt er erstmals mit Band für ein Konzert zurück nach Basel.

Mit Massimo Tondini und Jakob Läser stehen am Samstag auch zwei seiner Navel-Mitstreiter auf der Bühne. Die drei Musiker treffen sich allerdings nicht, um alte Hits zu spielen. Während die einen mit Harvey Rushmoore & The Octopus in psychedelische Rockwelten abdriften, kommt Antti als Bassist der vertrippten Gitarren-Schichter Chicos de Nazca. Die chilenische Band ist derzeit auf Tour. Die TagesWoche erreichte Antti in Italien. 

Jari Antti, ein Jahr sind Sie nun weg von Basel. Wie haben Sie sich in Berlin eingelebt?


Immer wie besser. Ich hatte schon vor dem Ende von Navel viel Zeit dort verbracht. Mittlerweile habe ich mich richtig eingelebt und verbringe viel Zeit mit dem Aufnehmen von Bands.

Ihr 1000W Studio befindet sich also nicht mehr in Laufen?

Nein, ich habe endlich den passenden Raum gefunden und fast alles Equipment nach Berlin gezügelt. Gerade bin ich an neuen Aufnahmen von Gewalt.

«Die Zusammenarbeit mit Patrick Wagner gründete damals wie jetzt auf einem tiefen gemeinsamen Verständnis von Sound.»

Das ist die neue Band ihres ehemaligen Labelchefs und Navel-Mentors Patrick Wagner. In den Anfangstagen von Navel hatte er grossen Einfluss auf die Band und ihren Sound. Spielen Sie nun das vertraute Spiel in verkehrten Rollen?


Die Situation hat durchaus etwas Witziges. Aber die Zusammenarbeit gründete damals wie jetzt auf einem tiefen gemeinsamen Verständnis von Sound.

Er lieh Ihnen damals Gitarre und Verstärker, damit Sie «richtiges Material» haben. Forderte er dieses Material nun wieder ein?

Wagner hat zum Glück noch seine alte Klampfe, die er schon bei Surrogat spielte und die passenden paar 100 Watt dazu aus seinem Amp. Das Material braucht er. Gewalt ist laut.

Wagner wird in der Presse als «der gefallene Held der Independent Szene» bezeichnet. Er brauchte nach dem Ende von Surrogat, dem Scheitern seines Louisville-Labels und seiner Ehe zwölf Jahre, um wieder Musik zu machen. Sie scheinen Ihre Krise schneller zu überwinden. Wie kamen Sie zur chilenischen Band Chicos de Nazca?

Die Band lebt schon länger in Berlin. Selbst in dieser Grossstadt trifft man im Ausgang und bei Konzerten immer wieder dieselben Leute. Bei einem WG-Fest habe ich dann mit Francisco Cabala gejamt. Wir haben uns bestens verstanden und bald darauf kam die Anfrage, ob ich mit auf Tour kommen wolle.

Sie spielen neuerdings Bass.

Ich sagte ihnen, dass ich eigentlich Gitarre spiele. Aber sie brauchten halt einen Bassisten. Das ist ganz okay so.

Nun sind Sie schon zum dritten Mal auf Tour mit den Chicos de Nazca. Als Sie Navel auflösten, kündigten sie ein Jahr Pause an. Sie wollten sich musikalisch neu orientieren.

Ich rechnete gar mit einer noch längeren Pause. Dann war ich bereits nach zwei Monaten wieder auf Tour.




«Die Position als Bassist ist für mich eine neue Welt.» Jari Antti (2. v. r.) mit den Chicos de Nazca.

Fühlen Sie sich in der Nebenrolle wohler als bei Navel, wo sie Bandgründer und Leader waren?

Ich sehe es nicht als Nebenrolle. Aber klar habe ich einen anderen Part im Bandkonstrukt, bin nicht mehr an Mikrofon und Instrument gefordert. Die Position ist für mich eine neue Welt. Abseits des Fokus fühle ich mich auf der Bühne frisch und jung. Das ist interessant und lehrreich – auch für meine eigene Musik.

Klingt, als planten Sie schon eine neue Band?

Ich habe den Drang, eine Band aufzubauen und schreibe im Studio wieder viel eigene Musik. Aber auch in Berlin ist es nicht einfach, die passenden Musiker zu finden. Entweder sind sie besetzt oder sie nehmen die Band nicht ernst genug.

Das klingt nach dem Klischee, dass bei vielen Jungen, die nach Berlin ziehen, die Energie an den Bartresen verpufft. Ist die Metropole ein schwarzes Loch, das Kreative anzieht und verschluckt?

Das Angebot an Ablenkung von der eigenen Arbeit ist riesig. Ich wurde selbst schon in diesen Sog gezogen und bin im Berliner Loch versumpft. Umso wichtiger war es, einen eigenen Raum zu finden, wo ich von Partys und anderen Verlockungen abgeschottet bin. Aber das war schon in Erschwil und Basel so. Nur ist es in Berlin noch schwieriger, den passenden Raum zu finden.

Und nun arbeiten Sie am Comeback mit einer eigenen neuen Band?

Ich bin noch immer auf der Suche nach dem passenden Sound. Gewisse Sachen wären für eine Band, anderes für mich solo, teils nicht mal für live gedacht.

Am Samstag spielen Sie fast auf den Tag ein Jahr nach dem letzten Navel-Konzert am gleichen Ort mit denselben Leuten. Mit welchem Gefühl kehren Sie zurück?

Das wird ein ganz schöner Abend. So sehr ich die Anonymität in Berlin mag, so sehr freue ich mich darauf, dieselben Gesichter wie vor einem Jahr zu sehen und hoffentlich noch viele mehr, die ich noch länger kenne.

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Freitag, 25. November, Harvey Rushmore & The Octopus & Chicos de Nazca, 21.30 Uhr, Kaschemme Basel.

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