Es ist ein prächtiger Sommerabend im Lörracher Rosenfelspark. Das Publikum verteilt sich locker in den Sitzreihen, während die Französin Joe Bel zur Einstimmung flotten Songwriter-Pop spielt, der gefällt, ohne besonders aufzufallen.
Als das weiche Licht der letzten Sonnenstrahlen von den Wipfeln der Bäume hinter der Bühne gewichen ist, wird es Zeit für John Grant. Der Sänger betritt die Bühne im gleichen T-Shirt, das er schon beim Mediengespräch am Mittag getragen hat.
Selbst ordinäre Worte klingen wie Poesie
Das Eröffnungsstück umreisst das Feld, das die folgenden eineinhalb Stunden beackert wird. Zur Linken des Sängers stehen die Rockinstrumentalisten, rechts arbeiten zwei weitere Musiker an allerlei Tasten und Computern.
«You Don’t Have To» ist ein Ode an einen verflossenen Liebhaber: «Remember how we used to fuck all night long?» Beim amerikanischen Songwriter klingen selbst Ordinäres wie Poesie. Das liegt an seiner sonoren Stimme, mit der Grant ohne Anstrengung weite Melodiebögen intoniert. Und am Soundkleid, das die Band den Songs verpasst: eine Decke aus melancholischem Wohlklang, die im Refrain zu schweben beginnt.
Das Lied in der CD-Version:
Störgeräusche als Kitschprävention
Der Wohlklang wird allerdings bald gestört, denn Grant begibt sich vom Mikrofon in der Bühnenmitte aufs Keyboardpodest an der Seite, wo er an Knöpfen dreht und die Töne verzieht. Es sind diese Störgeräusch aus alten Synthesizern, die verhindern, dass die schwelgerischen Tönen zum Kitsch verkommen.
John Grant gliedert sein Set in stilistisch geordnet Blöcke. Zu Beginn spielt er vor allem getragene Stücke, die von Verlangen und Versagen handeln. Unten heraus sorgen Schlagzeug, Bass und Gitarre für den nötigen Schub, darüber legen Pianos grosse Melodien und Synthies retro-futuristische Flächen.
Bewegungslose Musiker, bewegtes Publikum
Manche dieser Lieder erinnern ein wenig an Elton John, der am nächsten Mittwoch in Lörrach auftreten wird. An den Elton John vor fast 40 Jahren wohlgemerkt, als er seine grössten Songs schrieb. Im Gegensatz zu Grant benutzt Elton John allerdings nicht dauernd das Wörtchen «fuck».
Überhaupt kommt das Ende des Konzerts der Dramaturgie eine Rockshow am nächsten. In «Queen Of Denmark» wartet die Band in der piano-getragenen Strophe unruhig wie junge Pferde auf ihren Einsatz und fuhrwerkt dann im Refrain umso fulminanter.
Den Kontrapunkt setzt in solchen Momenten der Frontmann. Als in «Glacier» die Coda einsetzt und Band wie Publikum wegträgt, setzt sich der Sänger auf den Rand des Keyboardpodests und trinkt Wasser.
John Grant ist kein Mann der grossen Gesten, aber ein Sänger mit einer gewaltigen Stimme und Songs, die neben den Werken der ganz Grossen bestehen können. Es sind nicht einfach Lieder, die John Grant spielt, sondern Hymnen von heilender Kraft. Das Publikum verdankt die läuternde Erfahrung am Ende eines denkwürdigen Konzertabends mit Ovationen im Stehen.
John Grant ist kein Mann der grossen Gesten, aber ein Sänger mit einer gewaltigen Stimme und Songs. (Bild: Juri Junkov)