Journalisten im Film: Enthüllen wir die Wahrheit!

Hollywood liebt Journalisten – zeigt aber selten liebenswerte Exemplare. Auch «Truth», der neueste Journi-Film, räumt nicht mit Klischees auf. Also tun wir das.

Mary Mapes (Cate Blanchett) ist George W. Bush in «Truth» auf der Spur.

Hollywood liebt Journalisten – zeigt aber selten liebenswerte Exemplare. Auch «Truth», der neueste Journifilm, räumt nicht mit Klischees auf. Also tun wir das.

Journalisten sind fast durchwegs ein verbissener, asozialer Menschenschlag mit Hang zum Chaos, nicht selten auch mit selbstzerstörerischem Zug. Getriebene Menschen, die – einmal auf der Spur einer heissen Story – alles um sich herum vergessen, den Schlaf, die Familie – nur die Schnapsflasche, die bleibt. Zumindest, wenn man Hollywood glaubt. 

Unsere Berufsgattung ist fürs Film- und TV-Business ein gefundenes Fressen. Es gibt Hunderte von Filmen und TV-Serien, in denen Journalisten vorkommen. Selten sind sie sympathisch – das begann schon 1941 mit dem von Orson Welles verkörperten Zeitungsmagnaten Charles Foster Kane: «Citizen Kane» ist das berühmteste Beispiel für einen Film, der im Medienmilieu spielt.

1974 kam Billy Wilders «The Front Page», in dem es von schmierigen, sensationslüsternen Reportern wimmelt – die allseits ungeliebten Paparazzi lassen grüssen.

Hollywoods Liebling aber ist der Enthüllungsjournalist. Er taugt gelegentlich als moralisches Vorbild, meist jedoch nicht als gesellschaftliches. Ein unermüdliches Arbeitstier, vergräbt er sich meist in seinem Büro hinter Zeitungs- und Papierstapeln. Das sieht dann so aus:




Eine Szene aus «State of Play». (Bild: ©Universal Pictures)

Die Realität zeigt das nicht. Die sieht heute eher so aus:




Gut, nicht jeder Platz ist so aufgeräumt. (Bild: Karen N. Gerig)

Natürlich ist ersteres für die Leinwand interessanter. Und so kommt es, dass Hollywood immer wieder mit diesem Klischee spielt.

Der Enthüllungsjournalist als Held

Vorreiter ist «All the President’s Men», jener Film von 1976, in dem Robert Redford und Dustin Hoffman für die «Washington Post» in unermüdlicher Kleinstarbeit die Watergate-Affäre aufdecken. Eine reale Geschichte, als Thriller verpackt. Papierstapel im Büro machen hier Sinn, weil die Journalisten Ende der Sechzigerjahre noch auf Schreibmaschinen schrieben (mein Gott, was für ein Lärm im Grossraumbüro!) und Telefonbücher nach Kontakten durchforsten mussten.




Damals, als man noch auf Schreibmaschinen tippte… Robert Redford und Dustin Hoffman machens vor. (Bild: ©Warner Bros.)

Dann kam das Internet. Und der Konflikt, den im Jahr 2009 «State of Play» aufnahm. Keine reale Geschichte, aber (leider) eine klischeegespickte: Alteingesessener Printjournalist (Russell Crowe mit immer gezücktem Notizblock, langen Haaren und einem Alkoholproblem) trifft auf junge Bloggerin (Rachel McAdams) – und sie hassen sich. Warum? Auf den Punkt bringt das Crowe alias Cal McAffrey gleich selbst: «Sie ist hungrig, sie ist billig und sie spuckt stündlich eine Geschichte aus. Ich bin überfüttert, ich bin zu teuer und ich brauche viel zu lange.» 

Die Konvergenz stand am Anfang, die Medienbranche steckte bereits in der Krise. Wie der alte Journalist und die neue Journalistin sich zusammenraufen, war hier genauso wichtig wie der Plot: ein erfundenes politisches Ränkespiel, das in Mord gipfelt.

Die Journalisten, die ihn aufdecken, werden zum Schluss als Helden gefeiert – wie in «All the President’s Men» auch.




Journalisten als Helden in «Spotlight».

Anfang 2016 dann kam «Spotlight» in die Kinos (und gewann den Oscar als bester Film). Die wahre Geschichte eines Rechercheteams des «Boston Globe», das im Jahr 2001 den sexuellen Missbrauch durch katholische Priester in Boston aufdeckte. Das war investigativer Journalismus at its best: zeitintensiv und politisch wie gesellschaftlich relevant. Eine Geschichte, die ihr Drehbuch gleich selbst schrieb. Und brillant erzählt wurde.

Das «Spotlight»-Team jedoch sucht heutzutage in Redaktionen weltweit seinesgleichen: Fast zwei Jahre hatten die vier Journalisten für ihre Recherche Zeit. Sowas kann sich kaum ein Medium mehr leisten.

Wahrheit über alles

Glaubt man dem neuesten Film, der den Journalismus ins Zentrum stellt, dann war das auch im Jahr 2004 schon so: «Keiner liest mehr Zeitungen. Und es gibt nicht mehr viele, die machen, was wir machen», sagt in «Truth» die TV-Produzentin und Recherchejournalistin Mary Mapes (Cate Blanchett).

«Wir», das ist in diesem Fall das Team von «60 Minutes», einer Reportageshow des TV-Senders CBS unter der Leitung von Mary Mapes, zu dem Nachrichtenstar Dan Rather (verkörpert von Robert Redford) gehört. Es deckte im zweiten Wahlkampf von US-Präsident George W. Bush auf, dass dieser sich während des Vietnamkrieges vor dem Militärdienst gedrückt hatte.

Die Story kostete am Schluss alle Beteiligte den Job, weil hier die Ansprüche von Macht und Medien kollidierten: Dem Einfluss der Politik auf Medienhäuser wird in diesem Film gleich viel Gewicht beigemessen wie der Wichtigkeit der korrekten journalistischen Arbeit. Er macht deutlich, wie wichtig politische Unabhängigkeit in der Medienarbeit ist.

«Truth», der auf dem Buch von Mary Mapes beruht, bricht eine Lanze für den unabhängigen, kritischen und darum manchmal unangenehmen Recherchejournalismus. Leider geschieht das stellenweise mit etwas zu viel Pathos, um nicht als Plädoyer gelesen zu werden. Und auch «Truth» erzählt nur einen Modellfall.

Journalist sein, das denkt man auch nach diesem Film, deckt sich mit Detektivarbeit. Wir sind alle Spürnasen – Journalisten sind die besseren Polizisten, investigativer Journalismus ist das A und O, der Arbeitsalltag hart, aber spannend.

Die Realität sieht anders aus. Sie ist viel banaler. An den Computern in unzähligen Redaktionen weltweit sitzen Menschen, die hoffentlich gewissenhaft ihre manchmal auch langweilige Arbeit verrichten. Sie sind in jedem Sinn nüchterner geworden. Redaktoren, die beschwipst vom Lunch zurückkehren, sind äusserst selten geworden, und auch geraucht wird in Redaktionsräumen nicht mehr. Wir werden auch nie nachts um zwei Uhr vom Telefon aus dem Schlaf geklingelt, weil eine Quelle unglaublich wichtige Informationen preiszugeben hat.

Und die Papierberge? Sie sind grösstenteils Computern, Tablets und Smartphones gewichen. Selbst das Postfach bleibt fast leer – ausser man druckt seine E-Mails aus: Willkommen im papierlosen Office. Journalist sein unterscheidet sich heute in den meisten Fällen nicht mehr vom normalen Büroalltag. Aber seien wir ehrlich: Wer würde das im Kino sehen wollen?

_
«Truth» läuft ab dem 2. Juni 2016 in den Kinos.

Nächster Artikel