«Karen, lächle süss!»

Zhana Ivanova bietet in der Kunsthalle Basel dem Publikum die Möglichkeit, selbst Teil einer Performance zu sein. Das will ausprobiert sein – ein Selbsttest.

(Bild: Nils Fisch)

Zhana Ivanova bietet in der Kunsthalle Basel dem Publikum die Möglichkeit, selbst Teil einer Performance zu sein. Das will ausprobiert sein – ein Selbsttest.

«Von nun an wird alles, was ihr machen sollt, so genau wie möglich instruiert.» Dieser Satz steht am Anfang eines ungewöhnlichen Ausstellungserlebnisses. Ungewöhnlich deshalb, weil ich diesmal nicht als Beobachterin, sondern als Performerin daran teilnehme.

Ich befinde mich im Oberlichtsaal der Kunsthalle Basel, auf dem Boden eine rechteckige Markierung, die einen imaginären Raum umschliesst – «Dogville»-like, wie ein Kollege zurecht bemerkt. An den vorderen beiden Ecken dieses «Raumes» stehen zwei Stühle, auf diesen sitzen zwei Frauen mit je einem Mikrofon. Im Raum drin steht ein Tisch mit drei Stühlen.




Die Ausgangsposition. (Bild: Nils Fisch)

Neben mir gibt es noch zwei weitere freiwillige Performer, beide männlich. Wir alle drei wissen nichts. Wir wurden nicht vorbereitet, nicht instruiert. Alles, was wir wissen, ist: Wir sollen dem, was die beiden Anweiserinnen sagen, brav Folge leisten. Wir werden nicht reden müssen. Und dass das, was wir nun in den nächsten rund 20 Minuten tun werden, eine Performance der bulgarischen Künstlerin Zhana Ivanova ist, welche diese im Jahr 2007 uraufgeführt hat. Ich habe der Versuchung widerstanden, auf Youtube nach früheren Aufführungen zu suchen, weil ich mich überraschen lassen wollte.

Zhana Ivanova mag konstruierte Situationen und kleine, aber aufgeladene Gesten. Diese sollen wir nun liefern. «Karen, lächle Juri süss an.» Oh Gott, wie geht das? Süss lächeln auf Kommando, gar nicht so leicht.

«Karen, nimm dein Glas und stelle es auf Position 11.» Geht schon einfacher.

Mit der Zeit fange ich an, jede meiner Gesten, jede mimische Regung zu hinterfragen. Nicht jene, zu denen ich angewiesen werde – sondern jene, die ich in den Pausen dazwischen unbewusst mache. Halte ich meine Hände sonst auch so? Wohin soll ich nun blicken, was will wohl das Script?




(Bild: Nils Fisch)

Es ist zuweilen ein komisches Gefühl, das sich einstellt. Eine künstliche Spannung, die erzeugt wird. Die sich gottseidank aber auch immer wieder löst, weil man unweigerlich lachen muss. Es ist gar nicht so einfach, in seiner Rolle immer ernst zu bleiben, gerade weil die Anweisungen nicht nur die Angesprochenen, sondern auch die Mitspieler überrascht.

Was würde passieren, wenn ich nicht dem Script folge?

Und dann sind da noch die ungeplanten Momente. Dass Jonas die Zigarette in den Aschenbecher fällt, als er lässig damit spielen soll zum Beispiel (ja, man darf in der Kunsthalle ausnahmsweise rauchen, wenn auch nur als Performer!). Und dann hab ich mir irgendwann die Frage gestellt, was passieren würde, wenn ich nicht dem Script folge. Als man mir ein Glas Cola kredenzt etwa, da hätte ich doch lieber den Whisky daneben gehabt – ich mag keine Cola. Was, wenn ich die Gläser nun vertauscht hätte? Ich habs nicht gewagt und es somit nicht rausgefunden.

Irgendwann ist der Spuk vorbei, unerwarteter, als er begonnen hatte. Schon viel früher habe ich gemerkt, welche Szene hier gespielt wird und welche Rolle ich dabei innehab. Es hat Spass gemacht und war interessant, weil es die Wahrnehmung meiner selbst geschärft hat. Man erkennt Verhaltensmuster, entlarvt Geschlechterklischees, nicht nur als Performer, sondern auch im Publikum, wurde mir nachher zugetragen. Und ich bin mir bewusst geworden, wie wenig Worte es braucht, eine Position klar zu machen – manchmal, da genügt ein böser Blick. Oder eben ein süsses Lächeln.

Experiment gelungen.

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Wer selber mitmachen will: Die Performance findet nur zu bestimmten Zeiten statt. Als Performer kann man sich anmelden. Publikum braucht es aber auch.

«Zhana Ivanova; Ongoing Retrospective (Chapter 2)», Kunsthalle Basel, 22. Januar bis 4. Februar 2016. Vernissage 21. Januar, 19 Uhr.

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