Kennet ihr das Gschichtli scho, vo däm alte Cembalo?

In Basel werden die musikalischen Grenzen ausgelotet. Zurzeit entsteht eine Orgel, die anstelle von 12 Tönen 36 Töne pro Oktave hat. Das gab es zuletzt in der Renaissance.

So sieht die Tastatur aus, wenn eine Oktave anstelle von 12 gleich 36 Töne hat.

(Bild: Alex Spichale Fotografie)

In Basel werden die musikalischen Grenzen ausgelotet. Zurzeit entsteht eine Orgel, die anstelle von 12 Tönen 36 Töne pro Oktave hat. Das gab es zuletzt in der Renaissance.

So klingt es, wenn eine Oktave nicht aus 12, sondern aus 31 Tönen besteht. Ausschnitte aus einer Cembalo-Komposition von Ascanio Mayone (1570 – 1627)

Ein normales Klavier, das in jedem Musikschulzimmer steht, wo man in der 8. Klasse «One love, one soul» singen musste, hat zwölf Töne pro Oktave.

Für eine Oktave legt man seinen Finger auf das C, wandert über die weissen Tasten (das sind die ganzen Töne) und über die schwarzen Tasten (die Halbtöne) nach oben (oder nach unten) und landet nach zwölf Schritten wieder beim C. Mehr Töne pro Oktave liegen bei Tasteninstrumenten nicht drin. Andere Instrumente, die nicht an die exakt gestimmten Tasten gebunden sind, haben eine grössere Tonfreiheit. Auf ihnen kann vieltönige Musik gespielt werden. Aber weil das Klavier musiktheoretisch tonangebend ist, hat man sich um 1700 darauf geeinigt, dass die Oktave zwölf Töne hat.

Es gab mal mehr Töne

Nichtsdestotrotz gibt es seit Urzeiten Experimente mit mehr Tönen pro Oktave. Bereits die Griechen haben sich über die Vieltönigkeit Gedanken gemacht. Nicola Vicentino (1511 – 1572), Komponist und Musiktheoretiker aus Rom, befasste sich während der Renaissance mit dieser Mehr-Ton-Frage. Er schrieb 1555 ein Traktat über die Interpretation antiker Musik für die «moderne Praxis».

Und er entwickelte Tasteninstrumente, die mehr als zwölf Töne pro Oktave haben. Mit diesen Instrumenten könne «die perfekte Musik mit vielen musikalischen Geheimnissen» gespielt werden. 31 bis 36 Töne liessen sich bei seinen Cembali und Orgeln innerhalb einer Oktave spielen. 

Wie das tönte? Irgendwie schräg. Tönte in Vergangenheitsform, denn die Instrumente des besagten Vicentino und seiner Nachfolger sind allesamt verschwunden oder nicht mehr spielbar.  

Die Vieltönigkeit kehrt zurück – nach Basel

Nun aber kehrt die alte Vieltönigkeit zurück. In der Basler Orgelwerkstatt Fleig wird gegenwärtig an der Auferstehung einer vieltönigen Orgel gearbeitet. Seit sechs Monaten werken Instrumentenbauer Bernhard Fleig und sein Team hinter dem Bahnhof SBB an einer Orgel mit 36 Tönen pro Oktave. Die Pläne dafür haben sie in vielen Entwürfen selber entwickelt und an Vicentinos Idee angelehnt. Ob das Vorhaben gelingen wird? «Das wissen wir auch noch nicht», sagt der 82-jährige Bernhard Fleig, der seit 50 Jahren Cembali und Orgeln baut.



Viele Töne machen die Pläne lang und länger. Der hier ist für die Anordnung der Orgelpfeifen.

Viele Töne machen die Pläne lang und länger. Der hier ist für die Anordnung der Orgelpfeifen.

Die Orgel wird im Rahmen des Forschungsprojekts «Studio 31» der Musikhochschule FHNW gebaut. Neben der Orgel entsteht zurzeit in einer Ostschweizer Werkstatt ein vieltöniges Cembalo mit 31 Tönen pro Oktave. «Zu Beginn haben uns alle für verrückt erklärt», meint Projektleiter und Cembalist Johannes Keller. Aber nun wachse das Interesse an den entstehenden Instrumenten und es werde in Musikerkreisen bereits nach ersten Spielmöglichkeiten gefragt. 



Der 82-jährige Orgelbauer Bernhard Fleig mit der Tastatur der vieltönigen Orgel.

Der 82-jährige Orgelbauer Bernhard Fleig mit der Tastatur der vieltönigen Orgel. (Bild: Alex Spichale Fotografie)

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