Durch ihre aktuelle Kooperation mit der schottischen Band Franz Ferdinand werden sie gerade von einer jungen Generation entdeckt: Die Sparks aus Los Angeles. Wir erinnern an «Kimono My House», das Album, mit dem den schrägen Brüdern Ron und Russell Mael 1974 der Durchbruch gelang.
«Hitler ist im Fernsehen!», jauchzt John Lennon, als er 1974 die TV-Sendung «Top of the Pops» schaut. Hitler heisst eigentlich Ron – mit seinem Schnäuzelchen, der streng gekämmten Frisur und dem irren Blick könnte er je nach Perspektive tatsächlich mit dem Diktator himself oder aber mit den Komikern Groucho Marx und Charlie Chaplin verwechselt werden.
Sparks heisst die Band, bei der Ron Mael als Pianist und Songwriter tätig ist. Während er beim Playback irr dreinschaut, verrenkt sich sein Bruder Russell physisch und gesanglich – ein Sänger mit Hang zum Falsett. «This Town Ain’t Big Enough For The Both Of Us» singt er; diese Textzeile könnte aus einem Western stammen. Wäre da nicht diese schräge Performance, diese Mischung aus Protopunk, Pop und Pomp, die dem Ganzen eine herrlich eigenartige, absurde Note verleiht.
Dass die Sparks aus Los Angeles 1974 den Durchbruch schafften, hat einige Leute überrascht. Als sie «This Town Ain’t Big Enough …» in einem Londoner Tonstudio aufnahmen, schaute Elton John zufällig vorbei. Der Sänger wettete, dass es dieser Song nie in die Hitparade schaffen würde.
Auch die Plattenfirma der Sparks war skeptisch. Aus gutem Grund. In ihrer Heimat, den USA, waren die Brüder mit ihrer Musik kommerziell durchgefallen. Das britische Label Island gab ihnen zwar eine zweite Chance, zögerte aber, eine Platte herauszubringen. Weil die Energiekrise die Kosten für Vinyl ansteigen liess, wäre sie die Grosspressung für einen weiteren Flop teuer gekommen.
Prominente Fans
Allen Zweifeln zum Trotz, brachte Island Records diese schräge Nummer heraus. Und siehe da! Die Sparks trafen mit ihrer kunstvollen Rock-Theatralik den Nerv der Zeit, man konnte sie im Zug des Glamrock vermarkten. Und sie schafften es ins Fernsehen und in die Hitparaden.
Mit dem dazugehörigen Album verschafften sie sich zudem grossen Respekt. Für manche Popfans war «Kimono My House» ein vollendetes Werk, so etwa für einen 15-jährigen Popfan, dessen Leserbrief am 14. Juni 1974 im «New Musical Express» erschien: «Heute habe ich mir die Platte des Jahres gekauft (…) Jeder Track ist brillant.» Absender: Steven Morrissey aus Manchester.
Ja, genau, jener Morrissey, der danach selber Karriere als Sänger und Songwriter machen sollte, zunächst mit den Smiths, seit Jahren solo. Morrissey ist bis heute Fan der Sparks geblieben, «Kimono My House» eine seiner absolut liebsten Platten überhaupt.
Damit ist er nicht allein. Auch Björk, Arcade Fire oder MGMT gehören zu den grossen Bewunderern der Sparks. Tatsächlich gelang es den Sparks auf wundersame Weise, witzige Texte und Geschichten mit Spielwitz und Theatralik zu kombinieren. Und das zu einer Zeit, bevor Freddie Mercury die «Bohemian Rhapsody» schrieb. Ja, Queen waren in ihren Anfängen gar Vorgruppe, als die Sparks im Londoner Marquee auftraten – und dürften sich eine Scheibe Falsett abgeschnitten haben.
Herrlicher Hang zum Humor
Im Unterschied zu vergleichbar exzentrischen britischen Bands wie eben Queen oder Roxy Music, blieben die Sparks immer Kultband, wurden nie wirklich Popstars. Warum nicht? Weil viele ihrer Melodien und Ideen zu abgefahren waren für den Massengeschmack. Und weil sie es mit ihrer Experimentierfreude den Fans nicht immer leicht machten. So verloren sie Anhänger, als sie später Ausflüge in Stilrichtungen wie Discopop, Big Band-Swing oder Musical unternahmen. Andere – gerade auch viele Musiker – schätzten sie für diese Vielseitigkeit und Unberechenbarkeit.
Was immer blieb: Ihr herrlicher Hang zum Humor. Den haben sie nie verloren. Und scheuten sich im letzten Jahr auch nicht, ein Amateur-Handyvideo zu veröffentlichen, das Sänger Russell in einer japanischen Karaoke-Bar zeigt – offenbar hat er ihren alten Hit im Repertoire entdeckt und sich dazu verleiten lassen, «This Town …» nachzusingen. Fantastisch!
Ebenso fantastisch sind die jüngsten News: Die Sparks haben mit der schottischen Popband Franz Ferdinand gemeinsame Sache gemacht und zusammen ein Album aufgenommen. «FFS» ist seit zwei Wochen erhältlich – und man sollte es sich anschaffen, denn es ist über weite Strecken grossartig.
Auch mit knapp 70 Jahren zeigen die beiden Brüder, dass sie auf wohltuende Weise gegen den Bierernst in der Popmusik ankämpfen. Das manifestiert sich allein in selbstironischen Nummern wie «Collaborations Don’t Work», womit sie allen Kritikern von Beginn weg den Wind aus den Segeln nehmen. Oder aber mit dem absichtlich doppeldeutigen Song «Call Girl». Ganz zu schweigen von Bonustracks wie jenem mit dem schwarzhumorigen Refrain «So Many Bridges in the World to Jump Off of».
Jetzt kann man die Sparks nach langer Zeit wieder mal in der Schweiz sehen: Am 20. August präsentieren sie ihre Kollaboration mit Franz Ferdinand live am «For Noise»-Festival in Pully bei Lausanne. Und am 2. September gastieren sie im Zürcher X-Tra. Es ist vielleicht das letzte Mal, dass die Kalifornier auf Europa-Tour zu erleben sind. Man sollte dies nicht verpassen.