Vintage Trouble aus Kalifornien sind erst zwei Jahre alt, klingen aber wie die Inkarnation der Sechziger Jahre: Soul, Rock’n’Roll und Funk mit grosser Euphorie und einer präzisen Stilsicherheit. Ein charismatischer Auftritt auf dem Kulturfloss.
Grosse Versprechungen machen den Anfang: «High Times are coming», verspricht Ty Taylor in den ersten Sekunden, er singt die Zeile mehrmals ohne Begleitung in den dämmernden Himmel, und am Schluss kippt er in ein geschliffenes Falsett. Da setzt die Band ein, Bass, Gitarre und Schlagzeug, und rumpelt gekonnt den Rock’n’Roll. Eine klassische Besetzung in klassischen Anzügen. Vintage Trouble heisst das Quartett aus Kalifornien, und zumindest der erste Teil des Bandnamens wird eingelöst: Eine Stunde lang arbeitet sich die Band stilsicher und gut gelaunt durch einen rollenden Soul, der manchmal beim Bluesrock vorbeischaut und nicht über die frühen Siebziger Jahre hinauskommt. Das Erstaunliche daran: die Band gibt es erst seit zwei Jahren.
Musik machen sie allerdings alle schon etwas länger, vorzugsweise in demselben Retro-Segment, das Vintage Trouble nun noch einmal derart frisch durchpflügt, als läge der Acker seit Jahren brach. Was sie so bemerkenswert abhebt, ist weniger ihre Interpretation von weissem Rock mit schwarzem Soul, die konservativ bleibt, sondern ihre Bühnenpräsenz. Die untersteht ganz und gar dem Dogma der Animation, von Einmaligkeit, von äusserster Hingabe. Als sässe da ein Haufen betuchter und gut zahlender Besucher im Publikum und kein Gratispublikum, dutzende Meter von der Flossbühne entfernt.
Charismatische Performance
Besonders auffällig tut sich hier Taylor hervor. Stimmlich ist der Mann eine seltene Erscheinung, er beherrscht den warmen, geschmeidigen Soul genau so wie den kraftvollen, ekstatisch verwegenen Gesang eines James Brown, und wenn er an den vorderen Flossrand tänzelt, das Publikum euphorisch zum Klatschen, zum Chorgesang oder auch nur zur allabendlichen Spende an die Kulturfloss-Leitung auffordert, will man dem Mann sofort seine Kinder, sein Vermögen und sein Seelenheil anvertrauen. Auch das gehört, Taylor hats gut gelernt, zum schwarzen Soul: die charismatische Performance.
Musikalisch rechtfertigt die Band das grosse Selbstvertrauen nur phasenweise, Bass und Schlagzeug sorgen souverän für den satten Groove, und Gitarrist Nalle Colt bringt die Doppelarbeit als Rhythmiker wie als Solist bruchlos unter einen Hut, in der Songschreibe haben sie der Tradition allerdings kaum was hinzuzufügen. Die Gitarrenriffs rumpeln gussreif aus dem Fundus des Bluesrock, die Phrasierung der Melodien verläuft allzu routiniert. Spannender wirds in der zweiten halben Stunde, als die Band sich zwei Balladen vornimmt und dennoch die Intensität hochzuhalten schafft. «Nobody Told Me» ist mit einer einlullenden Wärme gespielt und erinnert im Gesang entzückend an Nat Cole, «Not Alright By Me» hat den versackten Geist einer Countrybluesballade, und als sie danach ihren Minihit «Nancy Lee» und den Wüstenrockschunkler «Run Baby Run» rausholen, hat man den Frieden mit ihnen gemacht. Vintage Trouble pflegen den Rock’n’Roll mit einem liebevoll geschärften Auge für Stil. Ihn neu erfinden können dann andere wieder.