Kreative besetzen Clara- und Voltaplatz

Mit einer brachialen Performance auf dem Claraplatz einer hintersinnig-sinnlichen Zeitreise auf dem Voltaplatz startete am Freitag die Veranstaltungsreihe «PerformaCity», die in der Basler Kaserne über die Bühne geht.

«Ceci n'est pas de l'art»: Irritierende Installation auf dem Claraplatz. (Bild: Dominique Spirgi)

Mit einer brachialen Performance auf dem Claraplatz und einer hintersinnig-sinnlichen Zeitreise auf dem Voltaplatz ist die Veranstaltungsreihe «PerformaCity» gestartet. Während einer Woche finden in Basel verschiedene Aktionen und Workshops zum Thema «Wie formt die urbane Gesellschaft von heute die Kultur von morgen?» statt.

Wie so oft sorgt das wirkliche Leben selbst für die beste Kulisse. Während der proper uniformierte Trommler in der Glasbox neben dem Kiosk auf dem Claraplatz mit zwei Hämmern sein Instrument zerstört, verkündet wenige Meter davon entfernt ein junger Mann mit amerikanischen Akzent die Worte Jesu‘. Und auf der anderen Seite geben sich die Alkoholiker Mühe, sich von der Aktion nicht irritieren zu lassen.

Aber die Passantinnen und Passanten, Frauen die Einkaufswagen hinter sich her ziehen, Kinderwagen vor sich hin stossen oder junge Männer, die an diesem heissen Nachmittag ihre Tattoos auf ihren Oberarmen zur Schau stellen, bleiben stehen und gucken dem jungen sympathischen und eigentlich ganz und gar nicht aggressiv wirkenden Mann beim Zerstören seiner Trommel zu. Und lesen, was da auf der kleinen Schrifttafel an der Box steht: «Ceci n’est pas de l’art.» Der Bildungsbürger hat natürlich sogleich die Assoziation zu René Magritte im Hinterkopf.

Verrat des Bildes

Der Bildungsbürger könnte die Gedanken weiterspinnen zu Magrittes Prinzip des Verrats der Bilder. Dass da eben kein Trommler am Werk ist, sondern nur die gespielte und pervertierte Reproduktion eines solchen. Aber das merken auch Nicht-Sachverständige, denn ein richtiger Trommler hätte ja auch keine Hämmer, sondern Schlegel in den Händen, und dieser würde die Trommel bespielen und nicht zerstören.

Ein schweizweit bekannter Slampoet und Abfalldetektiven-Darsteller tritt dazu und spricht im persönlichen Gespräch davon, dass die Zerstörung einer Trommel für die Trommler-Bevölkerung Basels wohl recht brutal sein muss. Ich hätte jetzt eher an eine selbstironische Werbeaktion für das Basel Tattoo gedacht – wenn Selbstironie bei einer Militärmusikveranstaltung denkbar wäre.

Freak-Show von Dries Verhoeven

Auf der Schrifttafel ist nur ganz am Rande zu erfahren, dass es sich um eine performative Installation des niederländischen Regisseurs und Bühnenbildners  Dries Verhoeven handelt, der mit insgesamt zehn künstlerischen Interventionen für Irritationsmomente im öffentlichen Raum sorgen möchte – eine Art aktionistische Freak-Show, wie es sie früher auf den Jahrmärkten gab: das Zurschaustellen von Menschen beziehungsweise Aktionen, die nicht dem entsprechen, was die Norm vorgibt.

Der Claraplatz war nicht nur für Verhoeven Ort der Wahl, sondern auch für die Performancegruppe Gob Squad, die hier 2011 Aussagen zum Projekt «Saving the World» sammelte, die sie nun drei Jahre danach in einer Videoinstallation in der Kaserne Basel präsentieren werden.

Der Voltaplatz unter der Zeit-Lupe

Sehr viel kontemplativer geht es zur selben Zeit auf dem Voltaplatz zu und her. Bei der Audio-Performance «Lest See Wher We Are» der beiden Briten Ant Hampton und Tim Etchells (Nein, der Titel enthält keine Tippfehler!).

Der Theatermann und der Autor führen einzelne Teilnehmende auf eine Zeitreise über den Voltaplatz, der einst Keltensiedlung, dann Industriegebiet war, heute Forschungs-Campus und Gentrifizierungs-Gegend ist und künftig Was-auch-immer sein wird.



«Lest See Where We Are»: Reise in die Vergangenheit und Zukunft des Voltaplatzes. (Bild: Dominique Spirgi)

«Lest See Where We Are»: Reise in die Vergangenheit und Zukunft des Voltaplatzes. (Bild: Dominique Spirgi) (Bild: Dominique Spirgi)

In der zweiteiligen Zeitreise werden die einzeln bedienten Teilnehmenden als Beobachtende aus der Gegenwart zuerst in die Vergangenheit geführt. Im vorerst relativ geschützen Raum im «Café Florida» steuert eine sanfte suggestive Stimme über Kopfhörer die Gedankengänge, während man unter anderem mit Hilfe einer Lupe ein Album mit Fotografien aus längst vergangenen Zeiten durchblättert. Immer wieder fordert die Stimme zum Blick aus dem Fenster auf den Voltaplatz der Gegenwart auf, auf das, was sich aus der Vergangenheit heraus entwickelt hat.

Von der Vergangenheit in die Zukunft

Im zweiten Teil tritt man, mit einem Ghettoblaster an den Leib gedrückt, nach aussen, wo man mit der Vorstellung konfrontiert wird, vielleicht in 40 oder 80 Jahren selber mal Teil einer Fotografie aus der dann als historische Vergangenheit empfundenen Zeit zu werden. Auch diese an und für sich besinnliche Aktion hat ihren überraschenden Irritationsmoment bereit, der hier aber nicht verraten werden soll.

Ganz anders als die Aktion auf dem Claraplatz, das ein konzentriertes Spektakel (auch) für die unvorbereiteten Passantinnen und Passanten bereit hat, nimmt «Lest See Wher We Are» die einzelnen Teilnehmenden an der Hand und führt sie auf hintersinnig-suggestive Art durch eine Geschichte, die man sich – wenn man sich die Zeit dazu nehmen würde – vielleicht auch selber ausdenken könnte.


PerformaCity: Künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum und ein theoretischer Diskurs zum Thema «Wie formt die urbane Gesellschaft von heute die Kultur von morgen?», Kaserne Basel in Kooperation mit dem EU-Netzwerk Second Cities – Performing Cities. Das Programm der Aktionen, Workshops und der Konferenz ist auf der Website der Kaserne abrufbar.

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