Der Basler Künstler Johannes Willi hat den Manor Kunstpreis gewonnen und darf jetzt im Kunstmuseum Gegenwart ausstellen. Was er zeigen wird und was ihn umtreibt? Er hat es uns erzählt.
Zwei klappbare Holzböcke, darüber eine aus Kartonschachteln und Kreppband improvisierte Platte: So sieht der Tisch aus, auf dem Johannes Willi in seinem temporären Atelier auf dem Dreispitzareal sein Laptop stehen hat. Daneben Papierstapel, ein Antistatikspray, ein Helm, eine Tasse, eine Scheibe Brot und ein Mandarinli.
Eigentlich ist dieser Raum ein Schreibatelier, wegen des Teppichbodens nicht wirklich für bildende Kunst geeignet. Aber Willi nimmt, was er kriegt – aus allem lässt sich was machen. Wie eben der erwähnte Tisch.
Johannes Willi ist Künstler. Manche nennen ihn auch einen Tüftler. Beides passt. Denn das Denken und Ausprobieren treiben ihn an. Und das spontan Improvisierte, das manche Chaos nennen, passt auch zu ihm. Schliesslich kann es auch vorkommen, dass er während einer Party beschliesst, seine Haare radikal abzuschneiden.
Unter dem Tisch des Künstlers. (Bild: Eleni Kougionis)
Vor wenigen Wochen ist Willi von einer 2,5-monatigen Reise zurückgekehrt. China, Schweden, Palermo, die Karibik, Costa Rica standen auf seinem Programm – eitles Nichtstun hingegen nicht. Willi besuchte lokale Künstler. Er tauchte in ihren Kosmos ein, liess sich in ihr Werk einführen, und das Ganze mit einem Zweck: Um deren Kunstwerke neu zu schaffen.
Daran – «Kopien sind es übrigens nicht, sondern meine Interpretationen» – arbeitet er nun in seinem temporären Atelier, rundherum an den Wänden stehen und liegen Werkteile. In Kürze werden sie zusammengepackt und ins Kunstmuseum Gegenwart verfrachtet.
Dort wird Johannes Willi ab Freitag ausstellen: Er hat den Basler Manor Kunstpreis fürs Jahr 2016 gewonnen. Das bedeutet: 15’000 Franken, eine Ausstellung im Kunstmuseum mit Katalog und reichlich Vernissagehäppchen.
Die Ausstellung trägt den Titel «Free Willi 2». Wir erinnern uns dumpf an einen Film mit einem Orca, der denselben Titel trug. Doch mit Säugetieren hat der Künstler nix am Hut, aber «der Name passte halt», sagt Künstler Willi. Und auch das mit der Freiheit.
Bei seinem «Free Willi» handle es sich um eine Trilogie, klärt er auf. Den ersten Teil konnte man vergangenes Jahr während der «Regionale» in der Kunsthalle sehen. «Ich wollte mich befreien», sagt Willi, und das tat er: Er schuf kein einziges Werk, sondern liess sich von befreundeten Künstlern Werke schenken, die er ausstellte. Teil 3 hat noch kein Datum und kein Konzept, aber bereits einen Untertitel: «Die Rettung».
Der Kunstraum als Magen
Zuerst aber der zweite Teil. Er werde den Raum im Kunstmuseum Gegenwart komplett in rosa Schaumstoff kleiden: «Er wird so etwas wie der Magen, in dem die Werke verdaut werden.» Die Metapher kommt nicht von ungefähr: Das Eintauchen in die Lebenswelten der anderen Künstler sei für ihn wie Nahrung, sagt Willi: «Und wenn wir dabei bleiben wollen: Das Publikum wäre dann das Wasser, das die Verdauung in Gang bringt.»
Klingt verschroben, passt aber zum 33-Jährigen, der Kunst auch als Forschung ansieht. Nicht im wissenschaftlichen Sinne, sondern als Mittel, um alles zu öffnen, um Dinge herauszufinden. «Wo sind die Grenzen, wo bin ich als Autor, wo sind die anderen?», sagt Willi. «Das sind Fragen, die mich umtreiben.»
Die Einzelteile für die Ausstellung im Kunstmuseum Gegenwart liegen bereit. (Bild: Eleni Kougionis)
Um diese Grenzen zu testen, probiert er alles aus, lässt sich auch im Medium nicht einschränken. Er baut beispielsweise Instrumente mit Materialien aus dem Baumarkt und lässt ein Sinfonieorchester drauf spielen. Er bäckt Brot und leitet den Duft in die Kunsthalle Basel wie bei seinem Abschlussprojekt für seinen Master an der Hochschule für Gestaltung und Kunst im Jahr 2013.
Oder er versucht sich ganz woanders. Ruft beispielsweise einen Offspace ins Leben, wie er das mit Freunden in der Anfangsphase des Hinterhofs tat. Oder gründet eine Buchmesse mit: Die «I Never Read» feierte diesen Sommer bereits den fünften Geburtstag, fürs messe-eigene Radio setzt sich Willi auch hinters Mikrofon.
Ganz weit weg von seinem Tun als Künstler sind auch diese Projekte nicht, sondern Schnittstellen und eine gute Basis, um das Netzwerk zu erweitern.
Ausgezeichnet unfertig
«Fertige Sachen interessieren mich nicht wirklich», sagt Willi. Das gelte nicht nur für sein künstlerisches Schaffen. Und es erklärt vielleicht auch, warum er so oft unterwegs ist, auch wenn Basel seine Homebase bleibt. Und warum er nun gerade behelfsmässig für drei Monate in einem Atelier mit Teppichboden hockt. «Ich hatte auch schon mal ein Atelier», antwortet er auf die Frage, warum er kein fixes habe. «Manchmal habe ich das Verlangen danach – aber eigentlich funktioniere ich anders. Mein Atelier ist zwischen den Menschen.»
Dort saugt er auf, was er braucht, um seine Kunstprojekte anzupacken. Darunter manche, die preisgekrönt sind wie die Instrumente oder nun eben «Free Willi».
«Free Willi 3» würde er übrigens am liebsten im Schaulager sehen – «weil das die logische Folge wäre nach der Kunsthalle und dem Kunstmuseum Gegenwart», erklärt er und lacht.
Es wäre ihm zuzutrauen, dass er es schafft.
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«Johannes Willi, Free Willi 2 – Freiheit in Gefahr», Kunstmuseum Basel Gegenwart, 26. November 2016 bis 12. März 2017. Vernissage Freitag, 25. November, 19.30 Uhr.