Kultwerk #15: David Copperfield

Der britische Schriftsteller Charles Dickens würde am 7. Februar 200 Jahre alt. Aus diesem Anlass erinnern wir an seinen Roman «David Copperfield».

Die Welt der Hauptfiguren von Charles Dickens ist meist eine vornehme. (Bild: Illustration: H. K. Browne)

Der britische Schriftsteller Charles Dickens würde am 7. Februar 200 Jahre alt. Aus diesem Anlass erinnern wir an seinen Roman «David Copperfield».

Nein, es geht hier nicht um den ehemaligen Dauerverlobten von Claudia Schiffer, der sich unter dem Namen David Copperfield in die Liga der Stars und Sternchen gezaubert hat. Hier soll das Original geehrt werden: Charles Dickens’ «Copperfield». Eines der wenigen Bücher, die all meine Umzüge und Räumungen in den letzten dreissig Jahren mitgemacht haben.

Es ist eine besonders schöne Ausgabe: im Jahr 1961 im Manesse-Verlag erschienen, klein und fein und umfangreich, in Leinen gebunden und mit den Original-Zeichnungen von Hablot Knight Browne illustriert. Allerdings – auch wenn es Leute geben soll, die Bücher nur zur Dekoration in die Regale stellen – ist es letztlich der Inhalt, der dieses Buch so besonders macht.

Dickens’ Lieblingsgeschichte

Der Schriftsteller selbst soll «David Copperfield» als seine Lieblingsgeschichte bezeichnet haben. In keinem anderen seiner Werke lehnt er sich so stark an seine eigene Biografie wie in diesem. Das Gemeinsame von Dickens und seinem Protagonisten ist der Umstand, dass dieser ebenfalls als Kind in einer Fabrik arbeiten musste. Und wie Dickens wird Copperfield Anwaltsgehilfe, dann Reporter und schliesslich ein erfolgreicher Schriftsteller.

Doch anders als Charles Dickens ist Copperfield eine Halbwaise, die die ersten Jahre glücklich mit der Mutter und deren treuer Dienstmagd Peggotty verbringt. Bis die Mutter sich wieder verheiratet – mit dem hartherzigen Mr. Murstone. Damit ist Davids wohlbehütete Kindheit jäh zu Ende. Er wird fortgeschickt und lernt das Leben von seiner harten Seite kennen. Er erfährt, dass die Menschen nicht nur edel und gutherzig, sondern auch niederträchtig sein können. Wie etwa der schmierige und verlogene Uriah Heep, der in den 1970er-Jahren in der Gestalt von britischen Hardrockern ins kollektive Gedächtnis zurückkehrte. Wie auch immer: Zum Schluss siegt das Gute über das Böse, Copperfield findet nach Umwegen nicht nur den Weg zu Achtung und Erfolg, sondern auch die richtige Frau an seiner Seite.

Bürgerlicher Moralist

Das tönt kitschig und moralisch. Dickens war tatsächlich ein Moralist, ausgesprochen bürgerlich denkend. Dass sein Vater wegen Schulden ins Gefängnis kam und er deshalb mit zwölf Jahren in einer Fabrik arbeiten musste, prägte ihn nachhaltig. Zusammen mit ungebildeten Menschen Etiketten kleben zu müssen, empfand er als Schande. Dabei wollte er doch zu den «Besseren» der Gesellschaft gehören, reich und berühmt werden. Was er dank seines Talents, Geschichten zu erzählen, später auch wurde.

«Sein Genie», sagt der amerikanische Schriftsteller John Irving, «liegt in der Art seiner Beschreibung: so anschaulich und eindringlich, dass man die Dinge nie mehr anders sehen kann als mit seinen Augen.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.02.12

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