Kultwerk #23: The Silence Of The Lambs

Vor 20 Jahren raubte uns dieser Film den Schlaf. Er ist aber auch albtraumhaft gut. Zum 70. Geburtstag von Jonathan Demme.

Die Polizistin und ihr mörderischer Informant: Hannibal Lecter und Agentin Clarice Sterling.

Vor 20 Jahren raubte uns dieser Film den Schlaf. Er ist aber auch albtraumhaft gut. Zum 70. Geburtstag von Jonathan Demme.

Ganz schön abgebrüht, wer diesen Film sieht und danach subito einschlafen kann. Denn «The Silence Of The Lambs» ist nichts für schwache Nerven: Die Brutalität des Thrillers manifestiert sich nicht nur in der expliziten Bildsprache, nein, sie spielt sich – und das ist das Schlimmste – vor allem in unserem Kopf ab.

Im Zentrum steht die junge, ambitionierte Polizistin Clarice Sterling (Jodie Foster), die einem Serienmörder auf der Spur ist, dessen Taten, nun ja, unter die Haut gehen. Um ein Psychogramm von «Buffallo Bill» zu erstellen, nimmt sie mit dem Analytiker (und Psychopathen) Doktor Hannibal Lecter Kontakt auf. Dieser sitzt für seine kannibalischen Taten in einem Hochsicherheitstrakt und füttert dort die Agentin mit wichtigen Informationen. Für seine Hinweise zum Täterprofil verlangt er ein «Quid pro quo»: Clarice muss ihre Psyche entblössen und von ihrem Kindheitstrauma erzählen.

«Der Film ist beängstigend – von den unheilvollen, verstörenden Kameraeinstellungen bis zum freudianischen Kontext», hielt die «Washington Post» fest, als der Film vor 20 Jahren ins Kino kam. Tatsächlich überzeugt «The Silence Of The Lambs» auf allen Ebenen: Da ist ein spannungsgeladenes Drehbuch mit fesselnden Dialogen; eine gelungene Adaption des gleichnamigen Romans von Thomas Harris. Da ist ein Ensemble, das zu Hochform aufläuft, mit Jodie Foster und Anthony Hopkins in den Hauptrollen.

Wie Hopkins den intellektuellen Gewalttäter verkörpert, ist ebenso erstklassig wie etwa Jack Nicholsons Leistung in «The Shining». Schliesslich ist da auch die umwerfende Bildsprache und die meisterhafte Inszenierung von Jonathan Demme, mittlerweile 70-jährig. Mit einer geschickten Parallelmontage lässt der Regisseur eine Special Taskforce ins Leere laufen, zeitgleich tappt Clarice Sterling in die furchterregende Höhle des Serientäters. Perfid zeigt uns die Regie die suchende Agentin in gespenstisches Grün getaucht. Es ist der Blick des Mörders durch das Nachtsichtgerät, unterlegt von lautem Schnaufen. Ein atembe- raubendes Finale.

Die Grösse des Films zeigt sich darin, dass seine Wirkung anhält – selbst wenn man ihn schon zweimal gesehen hat. Wie sagte doch Regisseur Demme beim Filmstart? «Ich gehe ins Kino, weil ich hungrig nach Schocks bin.» Das glauben wir gerne.Auch Sterlings Helfer Lecter ist am Ende des Films hungrig: «I’m having a friend for dinner» lautet sein finales Bonmot. En Guete!

Hannibal Lecter ist zwar die Rolle seines Lebens, für die er verdientermassen mit einem Oscar ausgezeichnet wurde – dies soll aber seine anderen schauspielerischen Leistungen nicht schmälern. Anthony Hopkins, 1937 in Wales geboren, überzeugte in seiner langen Karriere auch als «Hamlet», «The Elephant Man» oder «Nixon».

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 30.03.12

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