Kultwerk #50: Dr. Strangelove

Peter Sellers verkörpert in Kubricks Filmsatire den Wahnsinn des Krieges. Wahnsinnig gut.

Dr. Strangelove im Nahkampf mit seiner rechten Hand. (Bild: Keystone)

Peter Sellers verkörpert in Kubricks Filmsatire den Wahnsinn des Krieges. Wahnsinnig gut.

Es ist ärgerlich, wenn die eine Hand nicht weiss, was die andere tut. Dr. Strange­love, Berater des US-Präsidenten in Waffen- und Rassenfragen, befindet sich in ständigem Kampf mit seinem rechten Arm. Beispielsweise dann, wenn dieser rechte Arm sich zum strammen Hitlergruss reckt (eine biografische Altlast des Doktors) oder wenn beim Rauchen die Rechte versucht, der Linken die Zigarette zu entreissen.

Auch beim amerikanischen Präsidenten weiss die linke Hand nicht, was die rechte macht: Ohne sein Wissen hat ein Luftwaffenkommandant soeben den Nuklearkrieg gegen die Russen lanciert.

Absurdes «Gleichgewicht des Schreckens»

Mitten im Kalten Krieg, 1964, erschien mit «Dr. Strangelove – Or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb» eine bissige Satire auf die angespannte politische Lage. Stanley Kubrick beabsichtigte ursprünglich, einen ernsten Film über die atomare Bedrohung zu machen. Bei der Recherche wurde ihm die Absurdität des «Gleichgewichts des Schreckens» (auf Englisch sinnigerweise MAD für «Mutual Assured Destruction») erst klar und so wurde «Dr. Strangelove» zur schwarzen Komödie.

Zum Atomkrieg wurde der Kalte Krieg glücklicherweise nie, vor 50 Jahren aber, im Oktober 1962, kam er in seine heisseste Phase. Noch nie zuvor und nie mehr danach war die Welt einer nuklearen Auseinandersetzung zweier Grossmächte näher als in den 13 Tagen der Kubakrise. In satirischer Überspitzung zeigt Kubrick in diesem preisgekrönten Film, wie in einer von Angst, ­Paranoia und Machtstreben dominierten Situation alles aus dem Ruder laufen kann.

Die russische «Weltvernichtungsmaschine»

Im Kreise seiner Berater, wovon sich die meisten mit Ratschlägen vornehm zurückhalten, versucht der Präsident verzweifelt, wieder Herr seiner Streitkräfte zu werden. Er lädt sogar den russischen Botschafter in die streng geheime Kommandozentrale ein, nur um zu erfahren, dass sich die «Russkis» mit einer «Weltvernichtungsmaschine» ­gegen den atomaren Erstschlag gewappnet haben. Ist also alles verloren, das Ende der Welt gekommen?

Dr. Strangelove hat noch ein Ass im Ärmel: Eine paar Tausend Menschen sollen in Bergwerksstollen ausharren und mit fleis­siger Fortpflanzungstätigkeit das Überleben der menschlichen Rasse gewährleisten. Sollte es uns dereinst mal so ergehen: Dieser Film würde uns bei Laune halten. So strub, so schräg, so zeitlos.

Peter Sellers Markenzeichen war das Spiel mit den Identitäten, so beherrschte der Brite etwa mehrere Akzente. In «Dr. Strange­love» spielt Sellers (1925–1980) gleich drei Rollen; den irren Doktor, den Präsidenten und einen britischen Luftwaffenoffizier. Seine Leidenschaft galt der ­Komödie, grosse ­Bekanntheit erspielte sich Sellers in der Rolle von ­Inspektor Clouseau in der «Pink Panther»-Reihe.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.10.12

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