Seine Werke sind spektakulär – und manchmal auch unaufführbar. Am 5. Dezember 2012 jährt sich Karlheinz Stockhausens Todestag zum 5. Mal.
Eigentlich ist dieses Werk nur eine Szene innerhalb des gigantischen Opernzyklus «Licht», an dem Karlheinz Stockhausen mehr als ein Vierteljahrhundert lang komponierte. Sieben Opern sind es, jede nach einem Wochentag benannt. Als Hauptfiguren fungieren die Urmutter Eva, der gute Engel Michael, der böse Luzifer. Auch die Elemente sind vertreten, Erde, Wasser, Feuer und Luft. Und so spielt sich am «Mittwoch», dem dritten Teil des Opernzyklus, vieles in luftigen Höhen ab, auch die 3. Szene: das Heli-kopter-Streichquartett.
Vier Musiker eines Streichquartetts werden einzeln in vier Helikopter gesetzt, inklusive Notenständer und Partitur. Erheben sich die vier mächtigen Flugmaschinen in die Lüfte, wird die Musik beinahe zweitrangig – filigrane Bewegungen sind in einem fliegenden Helikopter ohnehin kaum auszuführen.
In der Regel sitzt der Zuhörer in einem Konzertgebäude, während die Helikopter dieses kreisend umschwärmen. Die Ton- und Bildspuren aus dem Innen und Aussen der Helikopter werden in den Saal übertragen und von einem Regisseur live gemischt. Doch was hört man da? Glissandi und Tremoli mit wechselnden Akzenten und gesungenen Zahlwörtern, laut ratternd das Rotorengeräusch, unterlegt mit dem Knistern der meist widerspenstigen Übertragungstechnik, und das alles in hoher Lautstärke.
1928 geboren, 2007 gestorben. Dazwischen hat der deutsche Komponist – Bearbeitungen des Hauptwerkes «Licht» eingerechnet – 363 einzeln aufführbare Werke geschaffen. Jedes einzelne ist von einer solch sperrigen Andersartigkeit, dass das Zuhören zur Zumutung werden kann – aber auch zum unvergesslichen Spektakel. So wie das Helikopter-Streichquartett, das 2011 in Boswil seine Schweizer Erstaufführung erlebte.
Man ahnt ein Auf- und Abschwellen der Intensität und sucht nach einer dramaturgischen Ordnung. Man sieht vier Musiker, die parallel und doch isoliert voneinander musizieren, denen ein Gerät den Takt in den aufgesetzten Kopfhörer diktiert; geradezu physisch spürt man die Gewalt der insektenhaften Helikopter, mit der sie die Schwerkraft überwinden. Die Assoziation mit jener legendären Kriegsszene aus Francis Ford Coppolas Film «Apocalypse Now» ist schnell gemacht. Und so wird die Frage nach der musikalischen Substanz bald überschritten – gesprengt durch das Spektakel und den poetisch-symbolischen Überschuss dieses verstörend-erhabenen Schau- und Hörspiels.
Die Gesamturaufführung von «Licht» lässt übrigens noch immer auf sich warten. Es ist schlicht zu teuer, diese 29 Stunden Musik szenisch aufzuführen, und selbst diejenigen Intendanten, die dies für nur eine der sieben Opern versuchten, scheiterten in den meisten Fällen – sei es schon im Rahmen der Planung, sei es beim anschliessenden Rausschmiss angesichts des finanziellen Defizits nach einer solchen Unternehmung – so geschehen an der Oper Köln im Frühjahr 2011.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 30.11.12