Kunst, richtig bewertet

Auch wenn es einen Sammler nicht interessiert, was seine Kunst wert ist – die Steuerbehörden interessiert es, namentlich die amerikanischen. Der New Yorker Anwalt und Kunstrechts-Experte Ralph E. Lerner erklärte an einem Rechtssymposium, wie man seine Kunstschätze fachgerecht deklariert..

Kunst: Mehr als die Sammlung der Einzelteile. Und das auch in der Bewertung der Steuerbehörde. (Bild: Daniel Spehr)

Auch wenn es einen Sammler nicht interessiert, was seine Kunst wert ist – die Steuerbehörden interessiert es, namentlich die amerikanischen. Der New Yorker Anwalt und Kunstrechts-Experte Ralph E. Lerner erklärte an einem Rechtssymposium, wie man seine Kunstschätze fachgerecht deklariert.

«Kunst steigt selten im Wert», sagt uns Ralph E. Lerner. «Sie sollte deshalb weniger eine finanzielle als eine Investition ins Selbst des Sammlers sein.» Lerner, Anwalt in New York, Buchautor und der Kunstrechts-Experte schlechthin, befasst sich trotzdem oder vielmehr genau deswegen mit der pekuniären Bewertung von Kunst: im Auftrag seiner Klientel, die meist gegen die amerikanische Steuerbehörde IRS antreten muss.

Sie braucht ihn und sein Fachwissen, wie er an einem Symposium der juristischen Fakultät zum Thema «Kunst und Recht» verdeutlichte: Denn die Steuerbehörden setzen auf starre Kriterien zur Bewertung des Werts von Besitztümern – anders als der Kunstmarkt, wo neben Nachfrage und Angebot ganz einfach auch Liebhabertum preisbestimmend sind.

Lerner versteht insofern nicht, dass die Art Basel eine Kunstmesse sein wolle – sie sei doch viel mehr ein grosser Kunstmarktplatz. Auf dem er allerdings eines vermisse: Die Preisschilder an den Werken. «Da steht dann meist ein älterer Herr mit randloser Brille im Stand, gleich neben einer äusserst attraktiven jungen Frau. Einen habe ich nach dem Preis für ein Bild gefragt, mit dem ich einen Wasserfleck an der Wand in meiner Wohnung abdecken könnte. Er sagte ’siebzehn Millionen’. Ich habe es mir dann erspart zu fragen, in welcher Währung.»

Kunst ist mehr als ihr Material

Unterhaltsam, eloquent und durchaus informativ, zeigte Lerner – eingebettet in Themen wie «Der Kunstsammler im Steuergefüge der Schweiz» (Dr. Marcel R. Jung), «Echt oder falsch? Fallbeispiele aus dem Bereich der Alten Meister» (Dr. Bodo Brinkmann) und «Miturheber, Gehilfen und Bearbeiter in der bildenden Kunst, Aktions- und Videokunst» (Prof. Dr. Haimo Strack), welche Regeln man nach US-Steuerrecht anwenden muss, um den Wert der gesammelten Kunstwerke einzustufen.

Zunächst ist für Steuerzwecke der Verkaufspreis relevant. Nicht der Materialwert – auch wenn Lerner selbst schon mit dem Metropolitan Museum in New York vor der Ausstellung über die von ihm geforderte Versicherungssumme für Damien Hirsts in Formaldehyd eingelegten Hai über 30 Millionen Dollar streiten musste: Der Wert der verwendeten Materialien, rechnete man ihm seitens des Museums vor, übersteige nicht einige tausend Dollar (Lerner setzte sich am Ende durch).

Mit der Steuerbehörde müsse man solches gar nicht erst versuchen, sagte Lerner (der zum Bild von Hirsts Kunstwerk in seiner Powerpoint-Präsentation die Titelmelodie von «Jaws – der Weisse Hai» hatte anspielen lassen). Die IRS will auf der Steuererklärung den aktuellen Verkaufswert der Objekte auf «jenem Markt, auf dem sie typischerweise gehandelt werden».

Diebesgut muss versteuert werden

Versuche eines Sammlers, sozusagen «en Gros» gekaufte Halbedelsteine nach der Stiftung an ein Museum zum aufsummierten Einzel-Verkaufswert von der Steuer abzusetzen, scheiterte ebenso wie die des Erben eines US-Soldaten, welcher im zweiten Weltkrieg Kirchenschätze aus dem Deutschen Quedlinburg gestohlen und nach Texas verfrachtet hatte: Der Texaner argumentierte, es handle sich um Diebesgut, und weil das unverkäuflich sei, sei es auch wertlos. Die IRS setzte daraufhin den Wert der Kunstobjekte auf den an, den sie auf dem illegalen Markt erzielen würden.

In einer weiteren Anekdote hatten die Verwalter der Sammlung von Robert Rauschenbergs Nachlass argumentiert, dass dessen Collage «Canyon» nichts wert sei, weil darin der Kadaver eines unter Schutz stehenden Weisskopf-Adlers verarbeitet sei (man ahnt es: Lerner spielte zum Bild des Werks ein Stück der Popgruppe «Eagles»). Ein Käufer würde sich sofort eine Haft- und eine Geldstrafe nach Tierschutzgesetz aufhalsen. Das Steuergericht entschied dennoch, dass der Wert der Collage 65 Millionen Dollar betrage.

Mit diesen und weiteren Beispielen machte Lerner vor allem deutlich, dass es sich lohne, den Steuerwert von Kunstwerken (zumindest in den USA) von Anfang an richtig einschätzen zu lassen; dass dazu nicht unqualifizierte Schätzer, sondern ausgewiesene Experten angeheuert werden sollten, und dass selbst die Stiftung von Kunstobjekten – probates Mittel für Steuererleichterungen, weil in den USA abzugsfähig – nach allen Regeln des Rechts erfolgen müsse.

Wird das Objekt nämlich von der begünstigten Institution nicht «genutzt» oder sogar entsorgt, werden die eingesparten Steuern nachträglich fällig. Lerner verpflichtet deshalb bei Stiftungen, die er betreut, die beschenkte Institution dazu, die Werke mindestens eine bestimmte Zeit lang auszustellen.

 

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