Kunstmarkt unter Anklage

Ein Feld wie der Kunstmarkt, auf dem sich schnell viel Geld verdienen lässt, lockt zwangsläufig Betrüger an. Der Kunstmarkt mache es ihnen aber auch zu einfach, konstatiert das Buch «Falsche Bilder – Echtes Geld».

Als Beltracchi-Fälschungen entlarvt: »Frauenportait mit Hut» (l.) von Kees van Dongen und «Frauenakt, Liegender Akt mit Katze» von Max Pechstein. (Bild: Reuters)

Ein Feld wie der Kunstmarkt, auf dem sich schnell viel Geld verdienen lässt, lockt zwangsläufig Betrüger an. Der Kunstmarkt mache es ihnen aber auch zu einfach, konstatiert das Buch «Falsche Bilder – Echtes Geld».

Der Name Wolfgang Beltracchi war im Herbst 2011 in aller Munde. In Köln musste sich der berühmteste Kunstfälscher der Gegenwart vor Gericht verantworten. Medien und Öffentlichkeit waren gleichermassen fasziniert von dem Mann mit den langen grauen Locken, der über Jahrzehnte hinweg nicht nur Sammler, sondern auch ausgewiesene Experten mit seinen selbstgemalten Bildern im Stile von Meistern der Klassischen Moderne getäuscht hatte.

Aufgeflogen war Beltracchi im August 2010. Damals durchsuchte die Polizei sein millionenteures Anwesen an bester Lage in Freiburg im Breisgau und machte damit sein Verbrechen publik. Dass es soweit kam, lag vor allem an einem Bild: «Rotes Bild mit Pferden», zugeschrieben dem Maler Heinrich Campendonck, gemalt im Jahre 1914. Angeblich. Im November 2006 war es durch das Kölner Auktionshaus Lempertz versteigert worden, für satte 2,4 Millionen Euro. Ein stolzer Preis für ein solches Bild.

Interessant daran war aber auch, dass über die Herkunft des Bildes Unklarheit herrschte: Es galt als verschollen, bekannt war nur der Titel aus einem alten Künstlerkatalog. Auch fehlte eine Expertise, die die Echtheit des Gemäldes auswies. Das hielt den Käufer zwar nicht davon ab, für das Gemälde viel Geld auszugeben – doch begann er nach dem Kauf damit, die Versäumnisse des Auktionshauses nachzuholen. Die hinzugeholte Expertin wies das Gemälde zwar stilistisch Campendonck zu, eine naturwissenschaftliche Untersuchung jedoch ergab, dass in dem Bild Weisspigmente vorhanden waren, die es 1914 noch nicht gab.

Kurzer Prozess

Bis der vemeintliche Campendonck jedoch zweifelsfrei als Fälschung ausgewiesen wurde, vergingen Jahre. Gleichzeitig ging die Polizei anderen verdächtigen Hinweisen nach. Zwei Journalisten, Stefan Koldehoff und Tobias Timm, haben sich die Mühe gemacht, die einzelnen Schritte, die schliesslich im August 2010 zur Verhaftung von vier Leuten, der sogenannten «Beltracchi-Bande», führte, nachzuzeichnen. Mit «Falsche Bilder – Echtes Geld» ist ihnen ein spannendes Buch gelungen. Der «Doku-Krimi», wie der Buchumschlag verspricht, ist zwar nicht unbedingt ein solcher geworden, was vor allem daran liegt, dass man den Ausgang der Geschichte kennt: Im November 2011 wurden alle vier Angeklagten nach kurzem Prozess verurteilt. Auch geht das Buch in manchen Passagen etwas zu stark ins Detail, um den roten Faden nachvollziehbar aufrecht zu erhalten.

Doch Koldehoffs und Timms Buch deckt Mechanismen des Kunstmarktes auf, die es zu hinterfragen gilt. So erstaunt es doch, wie einfach Wolfgang Beltracchi und seine Helfer die gefälschten Bilder zum Verkauf bringen konnten. Meistens gibt es nur einen Experten weltweit für einen bestimmten Maler, hat man diesen erstmal überzeugt, erscheint der Rest wie ein Kinderspiel: Denn ist eine Expertise vorhanden, die ein Bild als echt ausweist, zweifelt niemand mehr.

Hauptmotiv Geld

Das Buch macht klar, wie der Kunstmarkt funktioniert. Käufer, die wenig Ahnung von Kunst haben, aber ihr Geld sicher angelegt wissen wollen, investieren gerne Millionen. Und all dies geschieht äusserst diskret hinter vorgehaltener Hand. Denn welcher Sammler möchte schon preisgeben, dass er im Schlafzimmer unter einem wertvollen Gemälde schläft? Welcher dem Fiskus mitteilen, welche Millionenwerte er in einem Zollfreilager lagert? Und welcher Galerist möchte seine Sammler und seine Quellen mit anderen teilen? Schlussendlich geht es allen nur um eines: Ums Geld.

Auch Beltracchi ging es darum, wenn er es während des Prozesses auch stets bestritt. Nur zum Zweck des Geldverdienens hat er sein Talent, grosse Maler kopieren zu können, raffiniert zu nutzen gewusst. Die Künstler, die er fälschen wollte, suchte er sorgsam aus, ebenso die Motive und die Materialien, die er verwendete. Er dachte sich plausible Herkunftslegenden für seine Bilder aus. Und schliesslich bewies er äusserstes Geschick darin, bei den Verkäufen selber kaum in Erscheinung zu treten. Vor allem aber konnte er eines: Die Fehler und Schwachstellen im Kunstmarkt ausmachen und sie für seine Zwecke nutzen. Von Beltracchi könnte manch einer mit unlauteren Absichten etwas lernen. Aber auch der Kunstmarkt selbst. Vor allem letzterer sollte es.

(Bild: zVg)

Stefan Koldehoff, Tobias Timm: «Falsche Bilder – Echtes Geld. Der Fälschungscoup des Jahrhunderts, und wer alles daran verdiente». Galiani Berlin 2012, ISBN 978-3-86971-057-0.

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