Als Musiker der Avantgarde hat John Cale seine Spuren von The Velvet Underground bis John Cage hinterlassen. Der ordentliche Rock hingegen gehört nicht zu seinen überzeugendsten Domänen, wie sein Konzert in der Kaserne Basel offenbarte.
Als John Cale vor sieben Monaten seinen Siebzigsten feiern durfte und die Laudationes dazu in den Feuilletons erschienen, dominierten Überschriften wie diejenige der Süddeutschen Zeitung: «Radikal vielseitig». Cale, der grosse Avantgardist, war hochkulturell schon in den Sechziger Jahren bei John Cages «Vexations» dabei und ebenso in der jüngeren Gegenwart mit einer Installation an der Biennale Venedig. In der Rockmusik, seiner anderen Bühne, ist sein Name eng mit Lou Reed, Andy Warhol und The Velvet Underground verbunden, jener unermesslich wegweisenden Band aus dem New York der Sechziger Jahre, bei denen er die Bratsche spielte, die dem kruden Sound eine unheimlich irre, bedrohliche Drone-Ästhetik verlieh, Jahre vor Punk.
Ach ja, Punk: Auch da sass er wortwörtlich an den Hebeln, bevor sich das Genre überhaupt erst gebildet hat, als Produzent von Platten der Stooges und von Patti Smith.
Man muss diese immense Reputation von John Cale vor Augen halten, um sein Konzert in der grossen, doch spärlich gefüllten Halle der Kaserne Basel einordnen zu können. Vor wenigen Wochen hat er ein neues Studioalbum veröffentlicht, «Shifty Adventures In Nookie Wood», sein erstes seit sieben Jahren, das er nun mit einer Tour spazieren fährt. Es ist nicht sein bestes, was auch nicht weiter problematisch ist. Doch etwas enttäuschend ist die Form, die Cale zur aktuellen Umsetzung gewählt hat: das Rock-Quartett. Drei höchst solide Sessionmusiker an Gitarre, Schlagzeug und Bass, die weich-virtuose tiefe Läufe und dürr-düstere Rockriffs spielen können, während Cale mit seiner markig dröhnenden Stimme am E-Piano durchs Set singt. «Kurzweil» steht prominent auf seinem Synthesizer. Der Name des Herstellers, aber auch eine Verheissung fürs Konzert? Man wird sehen.
Anfangsspannung
Der Anfang mit «Captain Hook» gerät sehr eindringlich, wenn auch ohne den flirrenden Irrsinn, mit dem das Stück auf seiner Liveplatte «Sabotage» 1979 eine ausgezeichnete Kontur gewann. Auch das nachfolgende, nervös-minimalistisch gehaltene «Bluetooth Swings» sowie eine mit viel Soul geladene Version von «Hey Ray» halten die Spannung hoch. Den Bruch gibt es, als Cale sich seinem neuen Album zuwendet. In «Scotland Yard» und «I Wanna Talk 2 U» dominieren die sperrigen Phasen, aus denen im hausbackenen Rock-Set jedoch kaum ein Reiz strahlt, «December Rain» verdickt die schwere Suppe mit elektronischen Beats und einem dunklen, jedoch für einmal monotonen Gesang.
Da ist das Konzert mittlerweile knapp eine Stunde alt, und die Sperrigkeit gegen jeden Variationsreichtum und gegen das Ausloten der Arrangementmöglichkeiten, mit denen Cale etwa auf «Paris 1919» so zu brillieren vermochte, verschleppt die Dynamik des Sets zusehends. Erst als Cale selbst zur Gitarre greift und das trockene Riff von «Helen Of Troy» anspielt, gewinnt das Konzert wieder an Fahrt und sein Gesang an Bissigkeit, allerdings zerrinnt der Song auch hier gegen Ende in einer minutenlangen, repetitiven und zusehends drögen Rockstampferei. Noch einmal bäumt sich die Stimmung ungeahnt auf, kurz vor Schluss mit den Discofanfaren des Synthesizers von «Satellite Walks» und einem herrlich lakonischen Gesang, dann endet das Konzert nach knapp zwei Stunden ziemlich abrupt.
Keine Zugabe, kein «Venus In Furs», kein Moment, in dem er doch noch die Bratsche hervorholt. Vor fünf Jahren, als Cale das letzte Mal in der Kaserne Basel zu Gast war, überwältigte er mit psychedelischem Furor und einer experimentierhungrigen Band, die grosse Bereitschaft zu collagierten Soundstrukturen an den Tag legte. Diesmal hat er die Rocker mitgenommen. Auch die machten ihre Sache ordentlich. Aber das Ordentliche war kaum je die Königsdisziplin von John Cale.