Labienbekenntnisse

Lars von Trier hat einen Ruf als Provokateur, den er mit seinem neuesten Film «Nymphomaniac» zementiert. In Dänemark aber stellen sich nun Filmkritiker auf seine Seite – und posieren nackt.

Keine Schauspieler, sondern Filmkritiker. Oh yeah!

Lars von Trier hat einen Ruf als Provokateur, den er mit seinem neuesten Film «Nymphomaniac» zementiert. In Dänemark aber stellen sich nun Filmkritiker auf seine Seite – und posieren nackt.

Lars von Trier tritt in Fettnäpfchen mit Kunstsinn. In seinem Film «Dogville» lässt er Hinrichtungen gutheissen. In «Medea» zeigt er eine Kindsmörderin. In «Idioten» spielen Porno-Schauspieler die Nacktszenen – eine Methode, die er auch in «Nymphomaniac» anwendet. «Eine meiner Techniken ist es», sagt er von sich selbst, «Ansichten zu verteidigen, die nicht meine sind.»

Als von Trier bei einer Pressekonferenz 2011 in Cannes mit einer sarkastischen Bemerkung zu seiner deutschen Abstammung («Ich bin ein Nazi») in das grösste Fettnäpfchen der Welt trat (notabene in jenem Jahr, da Cannes Quentin Tarantinos Nazi-Parodie «Inglourious Basterds» bejubelte), da stand die Medienwelt Kopf. Das fördert die Durchblutung im Hirn. «Wie komme ich bloss aus diesem Satz wieder heraus?», rief von Trier am Ende der Pressekonferenz und schwor, fortan zu schweigen, und nur das zu tun, was Künstler eigentlich alle tun sollten: die Kunst sprechen lassen.

Pressevertreter für von Trier

Jetzt haben sich ausgerechnet Pressevertreter in Dänemark zu dem geächteten Filmemacher gestellt: Nicht nur die Schauspieler posierten nackt für «Nymphomaniac»-Plakate. Auch die Filmkritiker zeigten für einmal dünne Haut im Weltformat. Nicht alle Kritiker mochten den Film, aber alle mochten es, von Trier daran zu erinnern, dass sie auch «Ansichten verteidigen, die nicht ihre sind». Weil die Herrschaft der Barbarei immer dort anfängt, wo die Freiheit der Kunst endet – und ihrer Kritik.

Es gibt auch in von Triers neuestem Film «Nymphomaniac» wieder Szenen, die sind so atemberaubend wie abstossend: Uma Thurman zerrt als Mutter ihre Kinder an das Bett, in dem der Vater fremdging. Im Zug verführen zwei Mädchen Männer um die Wette. Die gefallene Joe (Charlotte Gainsbourg) schreckt vor Schamlippenbekenntnissen nicht zurück. Provokativ bebildert, hochliterarisch erzählt, ist der Film in der Form eher eine altbackene Narration. Aber wer das Fünf-Stunden-Werk (es wird in zwei Teilen gezeigt) verlässt, darf danach ruhig so aus dem Kino kommen wie die obigen Filmkritiker:  entzückt, verstört, erregt, gequält, erlöst.

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«Nymph()maniac» läuft unter anderem in Basel im kult.kino Atelier.

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