Lara Almarcegui interessiert sich für Häuser. Allerdings ist ihr die Architektur egal – das Baumaterial hat es ihr angetan. Deshalb vermisst sie ganze Städte oder schüttet auch gerne mal ein paar Tonnen Erde ins Kunsthaus Baselland.
Erde, soweit das Auge reicht. Nicht etwa irgendwo draussen im Baselbiet, sondern drinnen, im Untergeschoss des Kunsthauses Baselland. Baselbieter Erde ist es trotzdem – es ist der Aushub eines Grundstückes in Bottmingen, auf dem künftig ein Einfamilienhaus stehen soll. Doch was macht dieser Erdhaufen im Kunsthaus?
Im Moment ist die Erde Teil eines Kunstwerks: Die spanische Künstlerin Lara Almarcegui hat dafür gesorgt, dass sie angekarrt wird. In Lastwagen, während mehrerer Tage. Rund 300 Kubikmeter sind es am Ende, die ein Baggerfahrer hier nach ihrer Anleitung türmt. «Ich muss aufpassen, dass es nicht zu steil wird», sagt Almarcegui. «Denn sonst steht man einfach vor einer Erdwand und ist sich gar nicht bewusst, wie weit nach hinten der Raum und die Erdmasse sich erstrecken.» Und es ist ein grosser Raum, die Shedhalle.
Erde, soweit das Auge reicht: Noch befindet sich das Werk im Aufbau. (Bild: Ketty Bertossi)
Im Aufschütten hat die 42-jährige Spanierin inzwischen jede Menge Erfahrung. Vor zwei Jahren vertrat sie ihr Heimatland an der Biennale in Venedig. Damals stellte sie den Ausstellungsraum selbst aus: Sie berechnete, aus wie viel Mörtel, Zement oder Dachziegeln der spanische Pavillon besteht und schüttete entsprechendes Material in der entsprechenden Menge auf.
Almarcegui will mit ihren Arbeiten den Blick auf die Baustoffe richten. Architektonische Details sind ihr egal, sie interessiert an den Gebäuden die Verbindung von Bauen und Material – das eine ist ohne das andere nicht möglich. «Ich finde es auch spannend zu sehen, dass am Anfang dasselbe da ist, wie am Schluss übrig bleibt», sagt sie. Das heisst: Einem Bau ist immer schon der Verfall mit eingeschrieben. Am Schluss bleibt von jedem Gebäude nichts als Schutt – so kleinteilig, wie das Material schon am Anfang war.
Sie habe schon ein Gebäude, das dem Abriss geweiht war, eigenhändig renoviert, schön gemacht, Stück für Stück, erzählt Almarcegui. Und die Leute seien gekommen und hätten sich gefragt, warum das schöne Haus denn abgerissen werde. Damit habe sie genau das erreicht, was sie wollte: Aufmerksam machen, das Bewusstsein wecken.
Vermessene Städte: Was steckt wo drin? Lara Almarcegui hat gerechnet. (Bild: Serge Hasenböhler)
In dieselbe Kategorie gehört, dass sie anfing, Städte zu vermessen. Nicht auf dem üblichen Weg mit Massstab und in Bezug auf Höhe, Breite oder Fläche, nein: Almarcegui berechnete, wie viel von welchen Baumaterialien in den Städten Lund, Dijon und São Paulo benutzt wurden. In den kleineren Städten ging sie dafür durch jede Strasse und notierte die Bauweise jedes einzelnen Hauses. «In São Paulo war das unmöglich», sagt sie und lacht. Teilweise musste sie hier auf Schätzungen ausweichen, und trotzdem: 446 Millionen Tonnen Beton fand sie in der grössten Stadt Brasiliens – der dort meistverwendete Baustoff. Das historische Zentrum von Dijon besteht dagegen hauptsächlich aus Stein (946 Tonnen).
Wenn man in einer Stadt lebt, so macht man sich wohl in der Tat nur selten Gedanken darüber, welches Gewicht die Erde auf einer verhältnismässig kleinen Fläche aushalten muss. Um nochmal das Beispiel von São Paulo zu bemühen: Alles zusammen sind es dort 1,2 Milliarden Tonnen, bei einer Fläche von 1523 Quadratkilometern.
Ein kleines Stückchen Land in Norwegen
Auch die Installation im Kunsthaus Baselland soll uns etwas sagen: «Ist Ihnen bewusst, dass der Boden unter dem Haus, in dem Sie leben, nur bis in eine bestimmte Tiefe hinab Ihnen gehört?», fragt Almarcegui. «Darunter ist der Besitzer der Staat – oder aber eine Firma, die sich die Schürfrechte gekauft hat.»
Das Interesse für Mineralrechte ist für die Spanierin nicht neu. Sie hat sogar versucht, selber welche zu erwerben: «Als Privatperson hat man da fast keine Chance. Auch die Ausrede, man sei Bildhauerin und brauche das Eisen für die Arbeit, zählt da nicht», sagt sie mit einem Lachen. «Oder zumindest in den meisten Ländern.»
Probiert hat sie es in Spanien, das unterirdisch offenbar hauptsächlich der Firma Shell gehört, in Deutschland und den Niederlanden, wo sie seit Jahren wohnt. Erst in Norwegen hatte sie Glück und ist nun seit März und für die kommenden neun Jahre stolze Besitzerin eines kleinen Waldstücks. Was sie damit macht, weiss sie noch nicht so genau. «Ich könnte nun anfangen, nach Eisenerz zu graben», sagt sie. Mit der Schaufel umzugehen versteht sie ja inzwischen.
_
Lara Almarcegui, Kunsthaus Baselland. 22. Mai bis 12. Juli, Vernissage Donnerstag, 21. Mai, 18.30 Uhr.