Lesben, überall Lesben!

In Hollywood ist die Frauenliebe angesagt: Gleich drei Filme haben aktuell die homosexuelle Frau zum Thema. Und machen dabei so ziemlich alles verkehrt.

Freeheld

(Bild: Phil Caruso/© Praesens-Film AG)

In Hollywood ist die Frauenliebe angesagt: Gleich drei Filme haben aktuell die homosexuelle Frau zum Thema. Und machen dabei so ziemlich alles verkehrt.

Am Valentinstag 2014 wars raus: «I am here today because I am gay», sagte Ellen Page bei einer Veranstaltung von Human Rights Campaign, der grössten LGBT-Organisation Amerikas (LGBT steht für lesbisch, schwul, bisexuell und transgender). Sie sei es müde, anderen etwas vorzumachen aus Angst vor den Konsequenzen, die das Coming-Out für ihre Karriere haben könnte. Nach jahrelanger Heimlichtuerei sprach Page (26) endlich Klartext – als eine von wenigen homosexuellen Schauspielerinnen, die sich in Hollywood geoutet haben. 

Das lange Zögern Pages hat seine Gründe: Die Traumfabrik ist alles andere als ein Traum, wenn es um die sexuelle Orientierung geht. «Homosexuelle Schauspieler werden in Hollywood genauso missachtet wie Schwarze», sagte Ian McKellen im Januar 2016. Der Schauspieler, der selber schwul ist, fragte dabei, wieso dauernd heterosexuelle Schauspieler Oscars für ihre homosexuellen Rollen bekämen (Sean Penn in «Milk» beispielsweise, oder Philipp Seymour Hoffman in «Capote»), umgekehrt aber offen Homosexuelle nie für ihre Hetero-Performances geehrt würden. 

Lesbian, anyone?

Bei den Frauen sieht die Situation ähnlich einseitig aus: Hillary Swank trat in «Boys Don’t Cry» als lesbische Frau-zu-Mann-Transsexuelle auf, Charlize Theron in «Monster» als homosexuelle Mörderin. Beide sind sie hetero, beide gewannen sie das goldene Männchen. Neben Ellen Page gibt es ausser Jodie Foster und Cynthia Nixon kaum eine Schauspielerin in Hollywood, die offen homosexuell ist.

Ungeachtet des jahrzehntelangen Gleichstellungskampfes, der 2015 mit der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe einen Erfolg feiern konnte, sind die Vereinigten Staaten bis heute ein Land mit heteronormativen Grundwerten. Das bildet sich nirgends so sichtbar ab wie in der Filmbranche: Die Angst sich zu outen, ist trotz rechtlicher Gleichstellung gross.

«Schauspieler engagieren Anwälte, um sich zu schützen und jede Story über ihr schwules Leben im Keim zu ersticken. Oft heiraten sie und bekommen Kinder, um als Heteros zu erscheinen und ihr Geheimnis zu schützen. Manche engagieren Werbefachleute, um ihr Hetero-Image aktiv zu unterstützen», schreibt der Journalist Michelangelo Signorile in «Queer in America». John Travolta (dem seit Jahren nachgesagt wird, er sei in Wahrheit schwul und lasse sich von heissen Toyboys in seinen Privatjets verwöhnen) lässt grüssen.

Das Problem Hollywoods mit Homosexualität lässt sich am besten anhand der gängigen Filmplots aufzeichnen: kaum vorhanden. Und wenn, dann so weit im Abseits, dass es nur für Nebenrollen reicht, in denen Quoten-Homosexuelle (schicker gay guy als gutgelaunter Freund/Arbeitskollege/Bruder der Protagonistin, saure dyke als verbitterte Schwester/Freundin/Arbeitskollegin der Protagonistin – die männlichen Protagonisten haben dabei meist Hetero-Männer als Freunde, ab und zu schafft es mal ein Asiat oder ein Schwarzer in die Sidekick-Rolle) ein paar laue Punchlines liefern.

Bis «Brokeback Mountain» kam.

Jake Gyllenhaal und Heath Ledger als sich liebende Cowboys im rauen Wyoming, eine schöne, ans Herz gehende Liebesgeschichte zwischen zwei Männern. Der Film gewann drei Oscars und vier Golden Globes und der Bann schien gebrochen: Es folgten «Capote» und «Milk», die durch ihren dokumentarischen Hintergrund schwule Protagonisten hatten, aber auch «A Single Man» oder der weniger bekannte grossartige «Weekend» von «Gladiator»-Regisseur Andrew Haigh.

Viel mehr gibt es zugegebenermassen nicht aufzuzählen, aber immerhin: Die Angst vor dem schwulen Mann ist in Hollywood heute zumindest in einem ersten Schritt überwunden. Die vor den Transsexuellen dümpelt momentan hingegen noch in der Zoo-Phase vor sich hin. Filme wie «Transamerica» oder der kürzlich erschienene «The Danish Girl» sind zwar aufwendige und wirklich gut erzählte Geschichten, Transgender wird dabei aber immer noch wie ein seltenes Tier inszeniert: Schaut her, so sieht das Leben eines solchen Wesen aus.

Und wo bleiben die lesbischen Frauen?

Anders als man ahnen würde, scheinen Lesben gerade hoch im Kurs zu sein. In mehreren vor kurzer Zeit erschienenen Filmen sind lesbische Frauen integraler Plot-Bestandteil. Den Anfang machten 2010 Julianne Moore und Annette Bening in «The Kids Are All Right», einer wunderbaren Komödie über eine Familie mit zwei Müttern und einem Samenspenderpapi, der angenehm unangestrengt den Alltag einer Same-Sex-Partnerschaft beleuchtete. Endlich ein Film, in dem Homosexualität nicht der Überspitzung zum Opfer fiel. 

«Carol»: Zauberhafte Bilder in seichter Story

Auf die Coolness von «The Kids Are All Right» folgte letztes Jahr dann das grosse Pathos: «Carol», ein von der Kritik bejubelter Hochglanz-Streifen, dessen zauberhafte Bilder überzeugend von der seichten Story ablenkten. Cate Blanchett und Rooney Mara als Liebespaar, das in minutenlangen Einstellungen tiefe Blicke tauschte, war eine klare Ansage: Ja, Hollywood kann auch ernst lesbisch. Und ästhetisch lesbisch! Win-win.

Leider war der Film so ästhetisch, dass kaum noch Platz fürs Lesbische blieb. Mehr als einmal beschlich einen während des Schauens das Gefühl, Regisseur Todd Haynes wolle vor allem zwei schöne Frauen in schicker Ausstattung ablichten, als sich auf die Beziehung zwischen den beiden einzulassen.

Was reichlich merkwürdig ist, schliesslich ist Haynes selber homosexuell. Ein Mindestinteresse an gleichgeschlechtlichen Beziehungen ist da vorhanden, würde man meinen. Doch «Carol» bleibt an der schönen Oberfläche, als Kompromiss-Streifen, der sie alle befriedigt: Kritiker, Lesben, Hollywood.

«Jenny’s Wedding»: Im Mainstream angekommen

Zur selben Zeit erschien «Jenny’s Wedding» mit Rom-Com-Schauspielerin Katherine Heigl. Heigl kannte man erst aus «Grey’s Anatomy» und später aus mässig anspruchsvollen Filmen wie «Knocked Up» oder dem mit den vielen Brautjungferkleidern. Dass Heigl nun eine lesbische Frau spielen würde, die ihrer konservativen Familie beibringen muss, dass sie ihre «WG-Mitbewohnerin» heiraten wird, war eigentlich ein tolles Zeichen: Die Lesbe war im Mainstream angekommen.

«Jenny’s Wedding» hielt, was er versprach: massentaugliche Liebesgeschichte über zwei Menschen, die Hindernisse überwinden müssen und am Ende eine opulente Hochzeit feiern. Halt einfach mit einer homosexuellen Frau und ihrer rotbackigen (wieso sind die Partnerinnen der lesbischen Protagonistinnen eigentlich immer jünger?) Freundin in den Hauptrollen. Verglichen mit der prätentiösen Carol war Jenny eine Wohltat, ein No-Brainer, der ohne die schwere «Schaut her, ein Lesbenfilm!»-Attitüde auskam.

Trotzdem: Wirklich angemessen schien auch diese Form der Darstellung nicht. Wann, verdammt, würde denn endlich der Film kommen, in dem Lesben einfach vorkommen, ohne Lesbenstempel, ohne Lesbenklischees, ohne gross angerührte Lesbenthematik? 

«Freeheld»: bewegend und didaktisch

Wer sich Hollywoods aktuellen Lesbenfilm anschaut, der weiss: Es ist noch nicht soweit. «Freeheld», nach der wahren Geschichte um Laurel Hester und ihre Partnerin Stacie Andree, die 2005 darum kämpften, dass Andree die Pensionsansprüche der sterbenskranken Hester bekam, ist zwar durchaus bewegend (den grossartigen Schauspielerinnen Julianne Moore und Ellen Page sei Dank), erliegt letztlich aber seinen hohen Ansprüchen.

Hier wollte jemand eine ohnehin schon grosse Geschichte noch grösser machen und ist daran gescheitert. Die Story um Hester wurde nämlich schon einmal verfilmt – als Kurzfilm «Freeheld» vor vier Jahren. Die Doku zeigt den Kampf des lesbischen Paares um Längen eindringlicher als der glattpolierte Hollywoodstreifen, der am Ende leider nicht die Geschichte einer starken lesbischen Frau erzählt, sondern vielmehr die einer starken amerikanischen Errungenschaft.

Und jetzt?

Am Ende ist Hollywood also wieder einmal an sich selber gescheitert. Momentan sieht es danach aus, als könnten nur jene Geschichten über lesbische Frauen unterhalten, die sie ästhetisieren oder dokumentieren. Immer hübsch unterhaltend, immer im Dienste der «gayfriendly»-Traumfabrik.

Die eindringlichen, spannenden, lebensnahen Filme über lesbische Frauen, die abseits der Blockbuster bereits ab und an vertreten sind (man erinnere sich an die fantastischen «Blau ist eine warme Farbe» oder «Fucking Åmål»), stehen in Hollywood noch weitgehend aus. Vielleicht passen sie auch nicht dahin, wer weiss. «I am here because I am gay» – der einen Segen, des anderen Fluch.

_
«Freeheld» läuft zurzeit in zwei Basler Kinos. «Carol» läuft nur noch in Zürich im Arthouse. «Jenny’s Wedding» gibt es bereits auf DVD.

Nächster Artikel