«Sheila She Loves You» veröffentlichen ihr zweites Album «Sorry». Eine zähe Angelegenheit, wie ihr Konzert in der Kuppel Basel zeigte.
Drei Jahre haben «Sheila She Loves You» gebraucht, bis sie ihr zweites Album herausrücken. Der Titel «Sorry» entschuldigt die lange Wartezeit, die ihre beachtliche Fanbasis ausharren musste, aber damit erschöpft sich die Geste nicht. «Sorry» meint auch: leider Schluss mit dem unbeschwerten Powerpop ihres Debuts «Esztergom», leider nichts mehr mit der kindlich verzagten Trällerei, die ihren ersten kleinen Hit «Don’t Give Us Poets, Give Us Bread» zierte.
Keine Miniaturstudien mehr des jungen Herzens, dafür klaffende Abgründe, dichte Eruptionen und Songfragmente, schwer und dunkel wie der Herbstnebel. Nach langen Monaten der Klausur im Studio ist das Basler Quintett mit Titeln wie «Baphomet», «Hades» oder «Can’t Take It Anymore» zurückgekehrt, die bereits in der Namensgebung andeuten: die Unschuldsjahre sind vorbei. Sheila She Loves You – das mag noch stimmen, aber die Dame ist arg ins Grübeln gekommen.
Dabei legt die Band um Sänger und Songschreiber Joachim Setlik am Taufabend von «Sorry» in der Kuppel gleich zu Beginn eine klug täuschende Fährte. «Dolphin Champion», das erste Lied des Konzerts und des Albums, beginnt mit einigen rhythmisch flotten Schrummakkorden an der Gitarre und knackigen Zeilen, die stilsicher in einen zündenden Refrain kurven, Bassist David Blum steuert ein paar elegant gedehnte tiefe Melodien bei, und Keyboarder Matthias Gusset prägt das Lied mit der synthetischen Steeldrum.
Ungewohnter Mix
Der Mix ist ungewohnt, aber fruchtbar, doch bereits in diesem Auftakt tauchten die ersten Kratzspuren auf – der phasenweise stier gebrochene Beat von Schlagzeuger Tobija Stuker, die plötzlich ausfasernden dichten Synthieteppiche, ein kurz hereinbrechender geslappter Bass. Man horcht irritiert auf, wie die Band langsam beginnt, die Oberfläche des vollkommen gegossenen Popsongs aufzuschweissen.
Im Verlauf des Konzerts bringen Sheila She Loves You mit «Emma Watson» von ihrem neuen Material noch genau ein Lied, das einwandfrei als Radiotreffer durchgehen wird. Auch dieser Song gefällt mit seinen üppig gestreuten Klavierakkorden und den pointierten Gitarrenornamenten von Alain Meyer, aber verschwindet bald aus der Wahrnehmung. Denn nach und nach wird deutlich, wie sich das Quintett stärker an Stimmungsdynamiken, an Wucht und Haken schlagenden Liedstrukturen denn an griffigen Hitpotenzialen orientiert hat.
Beispielhaft konzertiert ist das etwa in «Lost And Found». Auch hier bringen ein paar einprägende Zeilen von Sänger Setlik den Song früh auf eine schwungvolle Popspur, um nach knapp zwei Minuten, angekündigt von kuriosen synthetischen Panflöten, zusammenzubrechen. Von einem Takt auf den nächsten nimmt die Band das Tempo raus, Setliks Gesang erstummt fragil, und Keyboarder Gusset lässt seine donnernden und tosenden Kaskaden von der Kette.
Raffinierte Melodie, klarer Gesang, schwere Akkorde
Dasselbe Muster wiederholt sich, noch expressiver, in «Hades». Setlik eröffnet das Lied mit einer harmonisch raffinierten Melodie und einem klaren Gesang, der Song nähert sich, gefüttert mit schweren Klavierakkorden, der Gestalt einer opulenten Ballade – und wieder beginnt die Band machtvoll zu toben, bis das Lied nach einigen weiteren Kehren, Tempovariationen, synthetischen Bläserorgien nach einem hymnischen Crescendo doch noch den Schlussakkord findet.
Am Ende blickt man etwas ratlos auf diese eklektisch gebauten Monumentalbauten zurück, die Sheila She Loves You in der Kuppel servieren, und erst das Nachhören von «Sorry» auf Konserve entschlüsselt die auf der Bühne zwar mit epischem Anspruch inszenierten, jedoch in ihrer Länge wenig greifbaren Lieder. Was die Band auf dem Album an Chören, an Verästelungen aus vielen, vielen Instrumentalspuren und allgemein an Masse auffährt, hat sich kaum transparent in die eingeschränkteren Mittel der Bühne überführen lassen.
Berücksichtigt man zudem, wie in sich gekehrt die Band sich auf der Bühne präsentiert, wie selten der Blick nach vorne ins Publikum anstatt nach unten auf die eigenen Finger gerichtet ist, gewinnt man einen Eindruck davon, wie lange Sheila She Loves You diesen Brocken des zweiten Albums bereits mit sich tragen. «Das war nun etwas anstrengend», sagt Sänger Setlik nach rund zwei Drittel des Konzerts, als das neue Album durchgespielt ist und sie die Schwere nun mit ihren älteren, simpleren, aber zugänglicheren Liedern aufzulockern beginnen. Wohl wahr.