Lichtspiele 2012: Auf ein Letztes!

«The Darkest Hour» handelt nicht nur von einer Katastrophe. Er ist auch selber eine.

Extraterrestrische funkeln in der Moskauer Metro rum. (Bild: Foto: Twentieth Century Fox)

«The Darkest Hour» handelt nicht nur von einer Katastrophe. Er ist auch selber eine.

Die Mayas haben es schon vor Jahrhunderten vorausgesagt: Das Jahr 2012 wird das allerletzte! Was soll man sich für ein letztes Jahr vornehmen? Meine Empfehlung: keinen Katastrophenfilm auslassen! Der erste steht schon ins Haus: «The Darkest Hour».

Egal, wie viel Wahrheit die Maya-Prophezeiung enthält: Auf Katastrophen kann man 2012 nicht gut genug vorbereitet sein.
Bloss: Wo sitzt man im Katastrophenfilm am besten? Ich ziehe die Plätze hinter der Säule vor. Sie vermitteln mir das Gefühl von Sicherheit, für den Fall, dass auf der Leinwand etwas anbrennen sollte. Allerdings gibt es kaum Kinosäle mit Säulen.

Bleiben die Randsitze. Sie geben einem wie im Flieger das Gefühl, man könne wenigstens rasch wegrennen, wenns abwärts geht. Ausserdem gilt für Katastrophen wie für deren Filme: Man erlebt sie nur ungern alleine. Mein Lieblingsplatz liegt neben meiner Freundin, ihrer Freundin und deren Freund. Zu viert hysterilisieren wir uns gegenseitig, das heisst, wir desensibilisieren uns vor Filmbeginn gegen Katastrophenängste, indem wir hektisch Informationen über die letzen Grossbrände, Killerpopcorns, bevorstehende Vulkanausbrüche und Börsenkurs-Rutsche austauschen.

Hat der Katastrophenfilm begonnen, zeigen Freund und Freundin unterschiedliche Symptome. Er flüstert mir unablässig etwas ins Ohr. Sie ruft immer wieder spitz: «Jetzt kommt es!» Er stellt die Atmung ein. Sie schaut wortlos hinter seiner Schulter nach, ob noch jemand da sitzt. Er packt sie bei ihrem Oberschenkel. Sie schaut minutenlang zu mir anstatt auf die Leinwand. Sie ergreift mit meinem Oberschenkel die Flucht. Er rennt nach Hause und holt sein Gewehr …

Meine Mutter praktizierte eine einfachere Methode, sich TV-Katastrophen erträglich zu machen: Wenn der Schreck in unserer Stube Einzug hielt (z.B. in Form von «Die Vögel»), setzte sie sich nicht aufs Sofa, sondern stand in der Zimmertür und betonte in Minutenabständen, sie werde sich gleich schlafen legen. Sie blieb aber und murmelte mantramässig: «Das spielen die alles nur!» Je mehr Vögel über den Bildschirm flatterten, desto geduckter stand sie unter der Tür. Erst während des Abspanns verschwand sie dann mit den Worten: «Das kommt mir jetzt alles wieder im Traum vor!»

Während «The Darkest Hour» bleiben Sie deshalb lieber in der Nähe des Ausgangs. Der Film ist nicht nur über eine Katastrophe, sondern selber eine. Der einzige Lichtblick ist die in Moskau von den Extraterrestrischen bevorzugte Todesart: Unliebsame Gegner werden in Pulverform zerpixelt. Das verblüfft und erspart alberne Blutspritzer. Sagen Sie also nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt: Fragen Sie sich einfach mit uns: Wie konnten die Maya diese Katastrophe bloss voraussehen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06/01/12

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