Lichtspiele: Im Alter Ego Sum

Gleich zwei Filmkomödien bringen den Herbst des Lebens auf die Leinwand.

Reif für die WG: Jane Fonda und Geraldine Chaplin im neuen Film von Stéphane Robelin. (Bild: zVg)

Gleich zwei Filmkomödien bringen den Herbst des Lebens auf die Leinwand.

Wer schon einmal im Flugzeug abgestürzt ist, weiss es: Die ersten zehntausend Meter sind gar nicht so schlimm. Heikel sind eigentlich nur die letzten zehn Meter. Das ist mit dem Alter genauso. Plötzlich gehts schnell. Dass es ausgerechnet vor einem Schäferstündchen passiert, überrascht Claude dann doch. Er bricht zusammen.

Claude ist Lebemann, hat Freunde. Der Plan für eine WG wird reif. WG? Aus Geldnot hat mancher sie schon kennengelernt. Dass wir im Alter noch einmal darauf zurückkommen werden, hatten wir uns wohl gewünscht. Aber haben wir es vorbereitet? Jane Fonda, die uns schon beigebracht hat, wie wir jung bleiben können – mit den Waden hinter den Ohren zwitschern und dabei Zehennägel beissen –, lehrt uns jetzt, wie wir alt bleiben könnten. Ü70.

Zivilisationsentwurf der Unangepasstheit

Was uns da im Kino vorgesetzt wird, ist mehr als eine Alters-WG. Jane Fonda, die das Pensionsalter für weibliche Reize um Jahrzehnte hinaufsetzt, trifft auf Geraldine Chaplin, die wahrscheinlich die erste Frau sein wird, die nicht mehr sterben kann. Das macht das Leben noch einmal heiter, anzüglich, und schafft auch neue Fragen: Wie spielt man einen Schieber zu fünft? Es ist nicht gerade Kommune 2, aber ein kleiner Zivilisationsentwurf der Unangepasstheit, was wir uns in «Et si on vivait tous ensemble?» (Regie: Stéphane Robelin, Trailer unten) reinziehen. Wer jetzt noch nicht in einer WG wohnt, sollte sich schleunigst danach umschauen. Das Entsetzliche am Alter ist nicht, dass wir alt werden, sondern dass wir jung bleiben.

Sie haben aber auch die Möglichkeit, das Alter englisch zu planen. Fahren sie ins «Best Exotic Marigold Hotel» (Regie: John Madden, Trailer unten) auf Urlaub. Dort machen britische Herrschaften im Herbst ihres Lebens Halt – in Indien, weils erschwinglich ist. Ein Hotel im Umbau, nichts funktioniert! Das Alter hat mit Ferien wenig gemeinsam, aber eines gewiss: Das Funktionierenmüssen hat ein Ende. Geniessen Sie es!

Lebenszüge der Figuren

Neben der herrlich strengen Maggie Smith treten eine neugierige Judie Dench und ein verlorener Tom Wilkinson auf. ­Ihnen zuzuschauen, wie sie die Lebenszüge ihrer Figuren unfreiwillig entgleisen lassen, ersetzt einen Theaterabend, macht Lust auf Altersheim. Deutlich anders als im «Exotic Marigold» kann es da auch nicht sein: Eine Art Hotelbetrieb, in dem manches nicht nach unserem Kopf geht – und das Personal spricht Indisch.

 

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 08.06.12

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