In «Des Vents Contraires» steht ein alleinerziehender Vater seinen Mann. Und das nicht schlecht.
Junge Paare sehen sich, kaum ist das erste Kind da, mit einer zusätzlichen 44-Stunden-Woche konfrontiert, die aufgeteilt werden muss. Nicht nur Männer wollen das nicht gerne einsehen. Sarah und Paul sind sich da auch nicht einig. Als alles zu viel wird, gibts Krach, und am nächsten Tag ist einer von beiden weg. Wer? Lassen Sie sich durch «Des Vents Contraires» Ihre Vorstellung von Alleinerziehung erweitern.
Es ist nämlich kein konventioneller Scheidungsfilm. Auch kein Loblied auf die Alleinerziehung. Für einmal läuft hier alles gendermässig genau anders herum: Verschwunden bleibt nämlich die Mutter, Sarah. Und Paul, der Vater – mit dem verheissungsvollen Namen Anderen – strampelt sich von einem Tag auf den anderen als alleinerziehende Mutter ab.
Paul ist nicht gerade ein gewinnender Typ. Benoît Magimel führt uns diesen Vater mit Eigensinn vor. Er nörgelt, er säuft, er kommt zu spät und rennt und macht Fehler: Er gibt den Avancen einer Fahrschülerin nach. Er hilft einem vorbestraften Möbelpacker und dessen Sohn, sich ein Wochenende ausserhalb des Besuchsrechts zu erschleichen, und gerät ins Visier der Polizei. Wäre da nicht eine verständnisvolle Kommissarin, Pauls väterliches Alleinerziehungsmodell wäre am Ende.
«Des Vents Contraires» ist flott erzählt und entkommt doch der Romanvorlage von Olivier Adam nicht. Wo im Buch, durch die Erzählperspektive des Autors, die Unwahrscheinlichkeiten dem literarischen Fabulieren geschuldet sind, bleibt der Film weltfremd. Er zeigt immerhin alleinerziehenden Frauen, unter welchen Umständen Männer solche Probleme lösen: Bietet man ihnen zwei fast problemfreie Kinder, ein geerbtes Haus am Meer, einen Bruder, der einen Job anbietet, auch wenn man zu spät kommt, und eine verständnisvolle Polizistin (hübsch), in die man sich verlieben möchte, schafft ein Mann das auch im Alleinerziehungsgang.
In «Des Vent Contraires» sind auch die Nebenrollen gross besetzt. Audrey Tautou und Isabelle Carré runden einen Cast ab, der dem momentanen französischen Standard Ehre macht und – mit einer Überraschung zum Schluss – den Beweis liefert: Gute Mütter werden nicht geboren. Gute Mütter brauchen eine Einarbeitungszeit. Bei einem Mann reichen da neun Monate kaum. Wenn man ihn aber länger lässt, kann auch aus ihm eine ganz ansehnliche Mutter werden.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 29.06.12