Lichtspiele: Sand im Getriebe

Regisseur José Luis Valle setzt zwei Leben in Tijuana, an der mexikanisch-amerikanischen Grenze, ins Zentrum seines wunderbaren Filmdebüts.

Kühlerhaube mit Seeblick: Lidia (Suzana Salazar) führt einen Windhund Gassi.

Regisseur José Luis Valle setzt zwei Leben in Tijuana, an der mexikanisch-amerikanischen Grenze, ins Zentrum seines wunderbaren Filmdebüts.

Es gibt sie noch: Bilder-Findungen, an denen man sich nicht satt sehen kann. Das erste Bild: das Meer und eine Reihe von Möven, die im Sand nach Futter picken. Ganz, ganz langsam schiebt sich von rechts eine wuchtige Metallmauer ins Bild: kein Schiff, kein Fels – ein stählerner Wall. Bis wir erkennen, dass da Menschen vor einer Grenzbefestigung stehen, hat die Mauer längst Nordamerika verbarrikadiert.

Der mexikanische Regisseur José Luis Valle folgt in seinem preisgekrönten Erstlingswerk mit eindringlich einfachen Bildern dieser Trennlinie – zwischen Arm und Reich, dies- und jenseits der Grenze. Rafael putzt in einer Glühbirnenfabrik und kann nicht pensioniert werden, weil er keine Papiere besitzt. Lidia verwöhnt im Luxushaus der kranken Mutter eines Drogenbosses den Windhund, dem es besser geht als jedem Beamten im Land. Einst waren Lidia und Rafael ein Paar. Jetzt vereint sie die Armut und trennt sie der Reichtum – der anderen.

Abends fährt Lidia die einsame Windhündin an den Strand. Dort soll «Princessa» den Sonnenuntergang erleben dürfen. José Luis Valle fasst die unendlich luxuriöse Trostlosigkeit in einem einzigen Bild so bissig zusammen, dass man losschreien möchte – vor Vergnügen und Erkenntnisblödsinn. Valle folgt seinen Figuren mit der Lakonie Kaurismäkis, mit Bildern, die voller Humor zu lesen sind.

Die «Workers» wehren sich leise. Behutsam streut Rafael, die Putzkraft, Sand ins Betriebs-Getriebe. Lidia, die Hilfskraft, greift in die Erbschaft ihrer Herrin ein. Rafael begeht subtile Sabotage. Im Krieg der Reichen gegen die Armen verteidigen sie die Würde der Arbeitenden. Die haben nichts zu verlieren. Nicht einmal ein Goldkettchen.

Als wir mit dem letzten Bild auf der anderen Seite des Stahlwalles angekommen sind, haben wir unbemerkt die Fronten gewechselt: Jetzt stehen wir auf der Seite jener, die nicht mehr die Hündchen der Reichen Gassi führen.

_
«Workers» läuft u.a. im Basler Kino Camera

Nächster Artikel