Lichtspiele: Vermessen

Nach seinem «Ruhm» kommt Daniel Kehlmanns erster Bestseller ins Kino.

Lässt uns kalt: Die Verfilmung von Kehlmanns «Vermessung der Welt». (Bild: © Warner Bros.)

Nach seinem «Ruhm» kommt Daniel Kehlmanns erster Bestseller ins Kino.

Wer versteht die Welt besser? Wer sie bereist? Wer sie berechnet? Daniel Kehlmann lässt in seinem Roman zwei Giganten der Wissenschaft über ihre Erkenntnis der Weltzusammenhänge korrespondieren. Der eine ist ein genialer Sitzenbleiber, der andere ein rastloser Herumtreiber.

Zwei Menschen vermessen die Welt: Der aus ärmlichen Verhältnissen stammende geniale Mathematiker Carl Friedrich Gauss und der adelige Weltreisende Alexander von Humboldt. Während Gauss zu Hause als Theoretiker die Zahlentheorie prägt, er­weitert von Humboldt die Grenzen der ­Wissenschaften durch seine exzessive ­Reise-, ­Sammel- und Forschungstätigkeit. Die Korrespondenz dieser beiden Säulen der deutschen Wissenschaft ist der Kern von «Die Vermessung der Welt».

Der Autor verbindet Fakten und Fiktion der beiden Lebensgeschichten, lässt Wissenschaftsromantik auf Lebensgier treffen und paart sie zu einem Hochgenuss an Sprachkunst im anekdotischen Fabulieren. Kehlmann behauptete einst von seinem Buch, es sei unverfilmbar. Tatsächlich hat er jetzt selbst mit Detlev Buck als Drehbuchautor bewiesen, dass er recht hat. ­Herausgekommen ist ein Sittenbilder­bogen. Ein Episodenfilm mit einer zu­sätzlichen Dimension (3D) an Tiefe, der mit einer Menge an heiteren Einfällen ­brilliert und doch nicht von einer Idee zusammengehalten wird. Ein Schauspieler-Ensemble, das mit viel Spass seinen Figuren Konturen verleiht. Und doch, die Figuren wachsen uns nicht ans Herz.

Von einem Buch, das auf jeder Seite, die man aufschlägt, mit Witz und Feingeist fesselt, darf man nicht einen Film erwarten, der auf den distanzierenden Ton verzichten will. Doch verschafft eben dies dem Film nicht, was das Buch auszeichnet: Wann immer man das Buch weglegt, bleibt eine Vertrautheit, trotz indirekter Rede und Sprache des neunzehnten Jahrhunderts. Im Film hingegen bleibt nur die Ironie, die den Figuren eine Dimension wegnimmt, die auch 3D nicht ersetzen kann.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.12.12

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