Gepinselt, gestochen, gebrannt und deformiert: Das Museum der Kulturen Basel widmet sich dem weltweiten Phänomen des Bodystylings.
«Your body is a playground, and I will help you to play», lautet die Lebensdevise von Sandy Caracciolo. Es ist eine Mischung von Faszination und Grauen, mit der man der 25-jährigen Zürcherin gegenübertritt. Beziehungsweise wenn man in der aktuellen Sonderausstellung «Make up – Aufgesetzt, ein Leben lang?» im Museum der Kulturen Basel oder noch drastischer in der Begleitpublikation zur Ausstellung die Bilder der jungen Frau sieht, die sich voll und ganz der Body Modification verschrieben hat: Auf ihrer Stirn hat Caracciolo zwei kleine Hörner implantieren lassen, ihre Zunge ist gespalten, durch die Löcher in ihren Ohrläppchen könnte man Pingpong-Bälle schieben, das Halszäpfchen ist wie unzählige weitere Körperstellen gepierct, auf ihren Handrücken und ihrem Dekolleté erheben sich wüste Wülste und der Rest ist durch ein stetig wachsendes Ganzkörpertattoo überzogen.
(Bild: zvg)
Sandy Caracciolo (der man übrigens am Sonntag, 10. November, 15 Uhr, bei einem Museumstalk leibhaftig begegnen kann) ist sicherlich ein Extrembeispiel für den Körperkult. Aber, davon kann man sich in der Ausstellung überzeugen, beileibe keine Ausnahme, die sich auf unsere westliche Welt beschränkt. Die Ganzkörpertattoos in Japan sind ebenfalls nicht gerade zurückhaltende Beispiele der Körpergestaltung. Erst recht nicht die Schädeldeformationen bei den Mayas oder Hunnen, die Schmucknarben in Papua-Neuguinea oder die verkümmerten Lotosfüsse im kaiserlichen China. Alle diese Praktiken lassen sich bei einem Rundgang durch die Ausstellung kennenlernen – eine «mega cooli Usstellig», wie eine Gruppe von vier jungen Frauen oder Mädchen ins Gästebuch der Ausstellung geschrieben hat, denen es «numme e bitzli schlächt worde» ist.
Kulturelle Parallelen und Unterschiede
Glücklicherweise beschränkt sich die Ausstellung nicht auf diese Extrembeispiele. Zu Beginn des Rundgangs geht es zum Beispiel um das «banale» Schminken des Gesichts, dargestellt in einer Reihe von sechs Porträts einer hübschen Frau, deren Gesicht sich durch die verschiedenen Stationen des Schminkens verändert beziehungsweise verschönert. Dahinter wird mit einem Kulturensprung in ebenfalls sechs Stationen die Entstehung einer Deangle-Holzmaske aus der afrikanischen Elfenbeinküste präsentiert.
Die Ausstellung zeigt, dass die Ziele der Gestaltung des Körpers von Kultur zu Kultur ganz unterschiedlich sein können. So galt es bei japanischen Frauen früher als angesagt, sich die Zähne zu schwärzen – ein aufwendiges Prozedere, wie das vielteilige Färbeset in der Ausstellung zeigt, während man sich sein Gebiss hierzulande doch eher bleichen lässt. Auch dürfte der der übergewichtige Körper des Sumoringers nicht unbedingt dem westlichen Ideal des gestählten athletischen Körpers entsprechen.
Der Körper, eine Baustelle
Zu entdecken sind auch überraschende Parallelen zwischen den Kulturen. Zum Beispiel bei der Gegenüberstellung einer Samurai-Rüstung mit der Panzerung eines Eishockey-Goalies, die beide mit einem furchterregenden Äusseren zur Einschüchterung des Gegners beitragen sollen – was übrigens auch für die neuseeländischen Maori-Krieger gilt, die denselben Effekt mit ihrer Körperbemalung (und den wilden Tänzen) zu erreichen versuchen.
Die Ausstellung ist in verschiedene Stationen unterteilt, die sich in einer inhaltlichen Steigerung vom einfachen Make up über das Tätowieren bis zur eigentlichen Körpermodifikation steigert. Zu sehen sind neben bildlichen Dokumenten der Resultate zahlreiche Objekte aus den verschiedenen Sammlungen des Museums und – vor allem zur Dokumentation der westlichen Praktiken – auch Leihgaben und Ankäufe wie Tattoo-Instrumente oder Schminksets.
Präsentiert werden die Objekte und Dokumente nicht in klassischen Ausstellungsvitrinen, sondern in einem Baugerüst. Das soll, wie unschwer zu erkennen ist, als Symbol dafür stehen, dass wir Menschen auch unseren Körper als Baustelle betrachten. Diese Ausstellungsarchitektur ist gewiss eine durchdachte Gestaltungsidee für die überaus sehenswerte und aufschlussreiche Ausstellung. Die transparente Konstruktion erschwert aber gleichzeitig auch ein wenig die Konzentration auf die einzelnen Stationen. Letztlich zeigt sich einmal mehr, dass das neue Dachgeschoss des Museums der Kulturen mit seinem ungleichmässig gefalteten Dach und in seiner offenen Weiträumigkeit nicht einfach zu bespielen ist.
Museum der Kulturen Basel bis 6. Juli 2014. Museumstalk: «Anders und ganz normal»: Sandy Caracciolo im Gespräch mit Gaby Fierz am Sonntag, 10. November 2013, 15 Uhr