Die Basler Madrigalisten setzen frühbarocke Musik ungewohnt komisch in Szene, nah am Publikum – und mitten im Bach.
Seit der Dirigent Raphael Immoos 2013 die Leitung der Basler Madrigalisten übernommen hat, setzt er mit verschiedenen Programmschwerpunkten Marker in das Basler Musikleben. Alte und neue Basler Komponisten stehen in einer über mehrere Saisons hinweg geplanten Reihe im Vordergrund; ungewöhnliche Konzerträume in einer anderen.
In der neuen Eigenproduktion der Basler Madrigalisten kommt nun beides zusammen: Auf dem Rheinschiff MS Christoph Merian wird Adriano Banchieris (1586 – 1634) Madrigalkomödie «Violina» szenisch aufgeführt (Regie: Salomé Im Hof) und mit neu komponierten Bänkelsängen des Basler Komponisten David Wohnlich kombiniert (Gesamtzusammenstellung: Andreas Wernli).
Flusschiff als Konzertraum
Der Konzertraum besteht also aus einem modernen Flussschiff mit all seinen optischen Reizen: offenes Entrée, freier Blick über den Rhein und die Altstadt, alles Ufergeschehen zieht schwebend an uns vorüber; das Schiff entführt uns in eine andere Welt. Im Innern aber gibt es manche akustische Einschränkung: niedrige Decken tragen den Klang nicht sonderlich weit, Motorengeräusche und Publikumsgeplauder bei den drei Gängen des Dinners verfälschen schön gestaltete musikalisches Details. Dafür bekommt die Szene grosse Aufmerksamkeit: Die Sänger und Musiker mischen sich von Anfang an unters Publikum, sind so nah wie selten zu erleben.
Geheimnisvolle Liebe
Die Geschichte, die sie singend und witzelnd erzählen, ist die Geschichte einer geheimnisvollen Liebe. «Violina» heisst die junge Dame, die die Herzen aller Männer höher schlagen lässt. Sie ist jung, sie ist wunderschön – und in den (nur abwesenden) Florio verliebt. Ihn will sie heiraten; doch Violinas Vater hat andere Pläne mit ihr: Der alte, reiche Pantalone soll es sein, der sie zum Traualtar führt.
Diese Konstellation bietet allerlei Stoff für Konflikte; und genau das hat die Musik im Übergang von der Renaissance zum Barock am schönsten in Töne gesetzt: Liebessehnsucht und Eifersuchtskampf.
Herrlicher Ohrenschmaus
Es ist ein Ohrenschmaus sondergleichen, der Musik Adriano Banchieris (1586-1634) zu lauschen. Die Lieder seiner Madrigalkomödie variieren in Besetzung und Faktur; fünfstimmige, überwiegend akkordische Gesänge mit ihrem ruhigen, tragenden Gestus wechseln sich mit hochvirtuosen Kampfliedern ab, in denen die drei Damen den drei Herren einander ihre grundverschiedenen Ansichten über die Liebe an den Kopf werfen. Aber auch feine Solo-Madrigale und ein Doppelduett, bei dem zwei Paare einander in Liebesschwüren zu übertreffen suchen, finden sich in dieser abwechslungsreichen Komödie. Herrlich, wie die Sopranistinnen Daniela Immoos und Regina Dahlen trällernd wetteifern, wie die Mezzosopranistin Barbara Schingnitz im tiefen Altregister singt und das Publikum mit schauspielerischen Raffinesse amüsiert, wie Tenor Hans-Jürg Rickenbacher zum Mitsingen einlädt und wie der Bariton Christian Villiger zwischen unterjochtem Ehemann und freimütigem Liebhaber hin- und herwechselt.
Alter venezianischer Dialekt
Was genau allerdings gesungen wird, verstehen auch Italienischkundige kaum: Die Texte zu Banchieris Madrigalen sind in einem alten venezianischen Dialekt verfasst. Da die in der Oper zur Gewohnheit gewordenen Übertitel in einem speziellen Raum wie diesem Schiff nicht möglich sind, wurden die Madrigale durch zeitgenössische Bänkelsänge ergänzt: Der Basler Komponist David Wohnlich übersetzte die Originaltexte sehr frei ins Deutsche und unterlegte sie mit einer sehr tonalen, aber zum Mitsingen einladenden Tonsprache.
Zwischen den Gängen wurde ein unglaublich reicher Strauss an Instrumentalmusik von Banchieris Zeitgenossen dargeboten. Das zum Abend gehörende Dreigangmenü kann zu zwei Dritteln empfohlen werden; seine Funktion erfüllt es indes völlig: Es dient zur Inszenierung des schon zu Banchieris Zeiten üblichen Festes, bei dem solche Musik zur Darbietung kam. Und es baut die unsichtbaren Schranken zwischen Interpreten und Publikum ab – denn für einmal darf man auch den Sängerschauspielern hautnah beim Singen und beim Verzehr der Speisen zuschauen – und bekommt dabei für allerlei seltsame zwischenmenschliche Verhaltensweisen, vornehmlich derer alter Ehepaare, einen komisch verzerrten, aber doch sehr wahren Spiegel vorgehalten. Schon das ist ein Besuch bei «Violinaaah» wert.
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Weitere Vorstellungen:
So, 6.7.: 12:00 Uhr Abfahrt ab Basel Schifflände.
Fr, 11.7.: 19 Uhr Abfahrt Basel Schifflände