Als Weltuntergangsprediger kommen sie auf die Bühne der Kaserne Basel, als Weltumarmer verlassen sie sie wieder. Wer ein Konzert der Schaffhauser Band Die Aeronauten besucht, verlässt es als besser gelaunter Mensch. Auch nach zwanzig Jahren.
Da steht der Mann, der schon so viele Geschichten über all die gesungen hat, die sich auch wider besseres Wissen nicht unterkriegen lassen, nun im weissen Predigergewand auf der Bühne. Der Blick geradeaus, der Zeigefinger in die Höhe, die Apokalypse auf der Zunge. «Das Ende ist nah», singt er, Glocken klingen, seine Band stimmt ein in den Chor. Ein dramatischer Auftakt.
Die Aeronauten, diese stilvoll gereifte Charaktertruppe um Sänger Olifr M. Guz, hat soeben das zwanzigste Lebensjahr überschritten, und nach einer solch markanten Kernziffer in der Bandkarriere bieten sich zwei Wege an: Man strandet jenseits der besten Jahre in der Vernachlässigbarkeit, oder man macht sich unverzichtbar. Die Aeronauten haben sich für Zweites entschieden: «Too Big To Fail» heisst ihre Jubiläumsplatte, und der Titel wie der erste Bühneneindruck machen klar – doch, die werden noch gebraucht.
Grosses Engagement
Das Älterwerden und die dazugehörigen Einsichten, Ernüchterungen und Sarkasmen sind ein wiederkehrendes Thema der Aeronauten. Umso schöner, dass die Bühnenpräsenz dieser Übervierziger der Runtergerocktheit keinen Platz lässt: Das Sextett geht – ein deutlicher Unterschied zu den Basler Denner Clan, die den Abend mit gut gelauntem Surfrock, jedoch mit einer etwas zu statischen Leistung in Spiel und Performance eröffneten – mit grossem Engagement zur Sache.
Gitarrist Sämi Hartmann, ein Meister des trocken-reduzierten Spiels, stemmt sein Instrument jubelnd in die Höhe, Bassist Hipp Mathis sinkt bei jedem zweiten markanten Übergang ergriffen in die Knie, die Bläsersektion um Roman Bergamin und Roger Greipl spielt nicht nur raffinierte Arrangements, sondern trägt sie mit humorvoller Poserei vor. Es gibt viel zu lachen, wenn die Aeronauten die Bühne entern.
Stilistische Vielfalt
Auf der Ohrenseite zeigt die Band, wie sie in den vergangenen Jahren den Rumpelpunk-Wurzeln entwachsen ist und stilistisch neue Gebiete wie den Jazz, den Latinofunk, den psychedelischen Surf erschlossen hat. Musikalisch sorgt das für die herausragendsten Momente, wie im entspannten Chanson «Womunidure», im Bombastreggae «No Smiling Day» oder in den verschiedenen Instrumentalstücken, die ihre Variabilität am herausragendsten verdeutlichen. Bedauern darf man, dass ihr weniger elaboriertes, jedoch äusserst charmevolles Frühwerk diese höher gesetzte musikalische Latte offenbar nicht mehr zu nehmen weiss, aber die wenigen Ausnahmen machen den Verlust wett: Der grobe Riffrocker «Sexy Terrorist» von ihrer ersten Platte wird zu einer ekstatischen, minutenlangen Solierkaskade ausgewalzt, und die alte Coming-Of-Age-Hymne «Freundin» erstrahlt augenzwinkernd als formvollendete Softsoulballade, die auch Stevie Wonder gefallen hätte.
Ironischer Zugang
Ein derart liebevoll-ironischer Zugang zum eigenen Katalog sieht man nicht alle Tage, und wenn man noch verfolgt, wie die Musiker auf der Bühne stetig die Rollen wechseln, der Bassist an die Orgel greift, der Gitarrist zum Bass und der Saxophonist ans Gesangsmikrofon, wird vor Augen geführt, wie untrennbar harmonisch die Aeronauten mittlerweile ineinander verwachsen ist. Man kann gar nicht anders, als Fan zu sein von dieser Band. Auf weitere zwanzig Jahre.