Literatour für die Ostertage

Popliteratur, die den Osterstau erträglich macht: Klings Känguru, Kämpfs Kuriositäten, Volkmanns Punk und Salmens Slamtexte.

Widerspenstig, aber auch liebenswert, so ein Känguru. (Bild: Mirrorpix)

Popliteratur, die den Osterstau erträglich macht: Klings Känguru, Kämpfs Kuriositäten, Volkmanns Punk und Salmens Slamtexte.

Es kann sein, dass man an Ostern am Gotthard steht, sich über den Verkehr ärgert, aber eigentlich noch mehr über sich selber: Denn Stau könnte ja auch Spass machen, vorausgesetzt, man hat sich entsprechend darauf vorbereitet und mit lustiger Literatur eingedeckt. Mit neuen Geschichten, die helfen, die Zeit am Schleifpunkt leichtfüssig zu überbrücken.

Zum Beispiel die «Känguru-Offenbarung» von Marc-Uwe Kling. Freunden des absurden Humors dürfte eine «Känguru-Offenbarung» zu Ostern grade recht kommen. Das Buch markiert den dritten Teil einer popliterarischen Erfolgsgeschichte, «die fulminante Fortsetzung der Fortsetzung», wie der Berliner Autor selber schreibt.

Marc-Uwe Kling: «Die Känguru-Offenbarung», 300 Seiten, Ullstein Verlag, März 2014.
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Wer den Einstieg verpasst hat: Mit den «Känguru-Chroniken» stieg Marc-Uwe Kling zum Bestseller der Slamszene auf. Er schilderte darin seine Erlebnisse mit einem neuen Nachbarn, einem gebeutelten Schmarotzer, der sich von einem Tag auf den anderen in seinem Berliner Altbau eingenistet hatte. Ein Känguru, das Nirvana hört und Marx rezitiert. Gerade weil das anarchische, antiautoritäre Tier keiner Konfrontation aus dem Weg geht, liebt man es. Nach der eher durchzogenen Fortsetzung, worin Kling den Cast um einen neoliberalen Pinguin erweiterte, hat er jetzt den dritten Teil veröffentlicht. Und höre da: Noch lustiger ist das Känguru, wenn man es lost statt liest. Für die Hörbuch-Fassung wurde Kling 2013 auch schon mal ausgezeichnet. Jetzt legt er mit einer 7,5-Stunden-Version der «Känguru-Offenbarung» nach. Das schlägt den längsten Stau am Gotthard.

Bart statt hart

(Bild: Adobe InDesign CS6 (Macintosh))

Patrick Salmen: «Ich habe eine Axt – Urlaub in den Misantropen», 224 Seiten, Knaur, April 2014.
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Ebenfalls aus der Spoken-Word-Szene: der 29-jährige Patrick Salmen. Er kann zwar nicht mit Klings Verkaufszahlen mithalten, dafür hat der deutsche Poetry-Slam-Meister seit 2011 fünf Bücher geschrieben. Salmen weiss, dass die Welt ohne sein neues Buch «Ich habe eine Axt» nichts verpasst. Sein Alter Ego ist sowieso bloss ein schüchterner Typ. In die Bar gehen und Leute treffen – schwierig. Dabei eine Frau kennenlernen – ganz schwierig.

Deswegen züchtet er ein wenig Härte und hält sich einen Bart. Doch «verlegen statt verwegen» lautet die kaschierte Wahrheit. «Ausser Fressen, Schlafen und Kacken habe ich nicht viel auf dem Kasten.»

Ein erfrischend ehrlicher Knabe, dieser Verlierer, der uns teilnehmen lässt an seinen Versuchen, der Kerl zu sein, der er nicht ist. Was uns bei der Stange hält, ist seine Bosheit. Wehe, man mag Sudokus. Oder Paulo Coelho. Oder Salmens Buch nicht: «Denken Sie dran: Ich habe eine Axt!»

Ziel erreicht: Hartz 4

Apropos Verlierertypen: Diesen verleiht auch Linus Volkmann, Popliterat aus Köln, gerne seine Stimme. «Lies die Biber» lautet der irritierende Titel seiner neunten Buchveröffentlichung. Darin versammelt der Journalist und Autor mehrere Figuren, die er in den letzten 15 Jahren geschaffen hat. Eine Art Volkmann’sches Universum, das er da auf 150 Seiten präsentiert. Unter anderem mit dabei: Super-Lupo. Ein ewiger Student, der in den Neunzigerjahren alles auf die Karte Grunge gesetzt hatte. «Er wollte Deutschlands coolster Slacker werden», schreibt Volkmann. «Auf der einen Seite ist ihm das auch gelungen, auf der anderen Seite hiess das jetzt Hartz 4. Und der Begriff des Slackers hatte es ja nicht mal ins neue Jahrtausend geschafft.»

Linus Volkmann: «Lies die Biber», 152 Seiten, Ventil Verlag, März 2014.
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Von allen Kurzgeschichten fast die lustigste ist aber jene, die sich Linus Volkmann über Linus Volkmann ausgedacht hat, als dieser die Starsängerin Rihanna zum Interview trifft: «Durch den semi-transparenten Stoff des Overalls konnte man ihren BH sehen – also wenn sie einen getragen hätte», schreibt der Nerd Volkmann, der als Rihannas Toyboy endet. Stets zu ihren Diensten in Malibu.

Herrlich, diese Zehn-Seiten-Satire auf die Promiwelt und die Boulevardmedien. Neben brillanten Storys finden sich auch sehr trashige, ja, eher fadere. Das mit den «13 schönsten Geschichten der Welt» ist vielleicht auch nicht ganz wahr, obschon es auf dem Buchcover gedruckt steht – weiss auf rosa, neben einem Jesus-Porträt.

Die Schweiz hat ihren Asterix

Nicht ernst gemeint, voll absurder Satire, Ironie und Übertreibungen sind auch die Erzählungen von Matto Kämpf. «Fast schon Literatur» feierte ein Bekannter von uns sein neues Büchlein, «Kanton Afrika». Tatsächlich! Der Berner Autor, bekannt für seine Kürze, hat die 100-Seiten-Marke überschritten und schickt seinen Urgrossvater auf eine Tour de Suisse, eine Tour du Surréalisme gar.

Matto Kämpf: «Kanton Afrika
– Eine Erbauungs-schrift», 104 Seiten, Der Gesunde Menschenversand, März 2014.
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Was dieser Immanuel Kämpf nicht alles erlebt, nach dem Tod seines Vaters: Er wird arretiert und in ein Verlies auf Schloss Thun gesteckt. Ein Zyklop erniedrigt ihn, eine Flucht drängt sich auf – und so flieht der Oberländer Vorfahre von Kanton zu Kanton, vom Wallis bis nach Graubünden, von Basel bis in die Innerschweiz, wo er auf einem Schlachtfeld landet und mit einem Kämpen in kurzen Dialog tritt:

Wo sind wir? frage ich ihn.
Am Morgarten bei Sempach.
Wer gegen wen?
Schweiz–Österreich.
Warum hat es auf beiden Seiten Schweizer?
Charakter.

So träf ist er, der Humor von Matto Kämpf, so hintersinnig sind seine Betrachtungen unserer Klischees, Eigenschaften und Geschichte, dass man von einer Persiflage und Offenbarung sprechen mag. Was Asterix’ «Tour de France» für Frankreich, ist «Kanton Afrika» für die Schweiz. Ideale Reiselektüre für die Ostertage – ob am Gotthard oder auf dem Sofa.

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