Löwen mögen Vinyl

Ungewöhnliche Wege gehen die drei immer wieder gerne. Kostenloser Album-Download im Internet – oder Konzerte, bei der die Band selber Musik hört. Nun hebt das Trio Rusconi zu einem multimedialen Coup an.

Claudio Strübi, Stefan Rusconi und Fabian Gisler von Rusconi (Bild: Gregor Brändli)

Ungewöhnliche Wege gehen die drei immer wieder gerne. Kostenloser Album-Download im Internet – oder Konzerte, bei der die Band selber Musik hört. Nun hebt das Trio Rusconi zu einem multimedialen Coup an.

Ihr neues, sechstes Werk «History Sugar Dream» stellen Stefan Rusconi, Claudio Strüby und Fabian Gisler nicht nur per gewöhnlicher Konzertperformance vor. Es ertönt auch als Soundtrack zu einem Film von Gregor Brändli und Jeremias Holliger.

Doch auch dabei wird gleich wieder die Idee von herkömmlicher Filmmusik auf den Kopf gestellt. Das ist den Klängen nur adäquat. Denn zunächst lässt sich feststellen, dass Rusconis neues Werk eine zusätzliche Sinnes-Dimension gar nicht bräuchte.

Die zehn Tracks nehmen die Rezipienten so in Beschlag, dass sie mit seinen Ohren schon genug beschäftigt sind: Da geht es hin und her zwischen einem fast folkigen Introsong, einem ausschweifend postrockigen Soundwall, der kurioserweise «Meditation» heißt, zwischen funkigen Interludien und minimalistisch-mechanischen Spielereien.

Und dabei soll das zunächst verstörende, beim wiederholten Hören an vielschichtigen Konturen gewinnende Konzeptalbum der Kindheit gewidmet sein. «Eine Erinnerung an die Zeit als Träume, Wünsche, Phantasie und Illusionen noch Realitäten waren, als das hemmungslose Spiel noch ganz selbstverständlich passierte», erläutert die Band die Philosophie hinter «History Sugar Dreams».

Blinken kontra Klackern

Dieses spielerische Element wird nun auf die Spitze getrieben, indem mit dem Film von Brändli/Holliger eine Metaebene zum Sound geschaffen wird. Als unorthodoxe «Expedition» durch die Schweiz ist der Film angelegt – und hebelt dabei die Funktion eines Videoclips aus.

Schon allein, da die Regisseure fast ausschließlich mit Steadycam oder automatisiertem Panoramablick arbeiteten – Gegenentwurf zu den Handkameras und Sekundenschnitten der MTV-Generation. In veränderter Reihenfolge der ursprünglichen Dramaturgie begleiten die Bilder das Album in seiner Ganzheit.

History Sugar Dream – Expedition from G.Braendli on Vimeo.

 

Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man die statischen Szenen als visuelle Kontrapunkte sehen, doch plötzlich offenbaren sich feingewobene Verbindungen zwischen Musik und Bild. Etwa, wenn bei «The Return Of The Corkies» zusätzliche Polyrhythmie durch das muntere Gegacker auf der Hühnerfarm erhält.

Oder das Wedeln der Indoor-Skifahrer zu «Twisted» einen ausgelagerten Groove liefert; sich das Blinken eines Jeeps im nächtlichen Schnee zu «Chihino’s World» mit dem Klackern der Percussion zwinkernd verzahnt. 


Sichtbare Beschallung


Der Clou an den Szenen – ob im Swiss Miniature-Park, im Innern der Alpentransversale oder in einer Zirkusmanage – ist das audiovisuelle Feedback: In den Minuten des Shootings wird der abgefilmte Raum in Echtzeit mit den Albumtracks beschallt, und die Lautsprecher wiederum sind zumeist sichtbar.

Man muss schon schmunzeln, wie eine Versammlung von lauter «Peters» der Musik lauscht, gleichgültig, nervös, gelangweiligt, mitwippend – das könnte die Perspektive der drei Musiker von der Bühne herunter sein.

Die sich dann auch gleich selbst noch beobachten ließen beim Ablauschen einer ihrer eigenen Kreationen. Auf den schönsten Moment dieses zugleich spleenigen wie lyrischen Films wartet man bis zum Schluss. Dann nämlich zerstören ein paar Darsteller die Symbiose von Musik und Bild in recht unvorhergesehener Art und Weise. Soviel sei verraten: Löwen mögen Vinyl.

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Filmpremiere: Stadtkino, 14.4, 21h 

Releasekonzert: Lady Bar, 18.4.

CD: «History Sugar Dream» (Qilin Records)

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